Wir Potsdamer fühlen uns weltstädtisch, träumen von europaweitem Ruhm und fordern sogar unerschrocken von allen Metropolisten, dass der ICE sein Tempo verringert, um in der früheren Residenzstadt zu halten. Wir debattieren engagiert über den Erhalt von Welterbe, haben die weltweit erfolgreichsten Ruderer und Kanuten an der Havel und die Ausstrahlung der Wissenschaft reicht vom Pluto bis zum Grund des Indischen Ozeans. Aber wir können auch anders! Viel pomadiger. Beispielsweise beim Fußball: Jahrelang quälte ein Anwohner des Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadions den Verein und Fans, weil in dem Stadion neben seinem Garten tatsächlich Fußball gespielt wurde. Dabei soll es während der sonntäglichen Ruhezeit zu Jubel, Beifall und Pfeifkonzerten gekommen sein, ganz spontan – er klagte dagegen. Selbst in der Innenstadt sind Veranstaltungen wie Public Viewing, Fanmeile und Weihnachtsmarkt gelegentlich verpönt. Der Lebenshauch, der dabei durch die Straßen weht, wird von einigen Anwohnern als Orkan wahrgenommen, den es abzuschwächen gilt. Genau diese Piefigkeit ist ein Grund, warum Touristen lieber in Berlin übernachten und eine Vielzahl der in Potsdam studierenden sowie Potsdamer Wissenschaftler nicht in Potsdam wohnen.
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