Landeshauptstadt: Ruheständler in spe
Puschmann ab Montag nur noch Tourist und Hobby-Psychologe
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Puschmann ab Montag nur noch Tourist und Hobby-Psychologe Wolfgang Puschmann steht vor dem Tag Null. Am Freitag wird der Direktor des Espengrund-Gymnasiums seinen Arbeitsplatz verlassen, die Bürotür hinter sich abschließen und auf dem Weg nach Hause wohl nichts anderes wahrnehmen, als an den Freitagen der vergangenen zehn Jahre auch. Alles wird so sein wie immer, nur dass es für den Mathematiker und früheren Hobby-Politiker zum letzten Mal so ist. Puschmann, der im Jahre 1993 gemeinsam mit Oberbürgermeister Horst Gramlich eine Espe auf dem Schulhof in der Domstraße Babelsberg pflanzte und damit dem Gymnasium seinen Namen verlieh, muss am kommenden Montag nicht um 6.30 Uhr aufstehen, frühstücken und in die Schule gehen. Er kann ausschlafen. Nicht weil wieder Ferien sind, sondern weil am Freitag der letzte Arbeitstag des 64-Jährigen ist. Danach heißt es für den zweifachen Vater, dessen Frau Irmgard Lehrerin war und seit zwei Jahren Vorruheständlerin ist, Reisen, Tennis spielen und noch intensiver seinem größten Hobby nachgehen: der Psychologie. Nach den beiden Studien der angewandten Mathematik von 1961 bis “65 sowie von “68 bis “71 an der PH Potsdam suchte der ambitionierte Tennisspieler von Rot-Weiß Potsdam Ende der Siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts eine neue Herausforderung. In einem Fernstudium an der Karl-Marx-Universität Leipzig absolvierte Puschmann erst das Studium der Pädagogischen Psychologie und später, als vierten Hochschulabschluss, Verhaltenspsychologie. Das neue Wissen sollte jedoch immer nur ein Hobby für ihn bleiben. Eines, für das er viel Zeit aufbrachte. Damals Ausbilder für Meister und Ingenieure an der Wohnungsbauakademie und Psychologe für DDR-Führungskader der Bauindustrie, betreute er nebenbei das DDR-Liga-Fußballkollektiv von Motor Babelsberg sportpsychologisch. „Das war eine herrliche Erfahrung“, denkt er heute an diese Zeit zurück, in der Videoanalysen noch kein Standard waren. Puschmann lieh sich vom ASK Vorwärts Potsdam eine kleine Kamera aus, zeichnete Fußballspiele darauf auf und wertete diese im Kreise der Mannschaft aus. Dabei arbeitete der gebürtige Potsdamer mit noch jetzt in Babelsberg bekannten Spielern wie Jörg Nachtigall, Karsten Bosecker und Jürgen Theuerkorn zusammen. Seine Einzelgespräche sollten den Fußballern helfen, vor einem Spiel Selbstbewusstsein auf- und Ängste abzubauen. Selbst fasste er im Oktober 1989 Mut. „Ich war nie in einer Partei“, erzählt Puschmann, doch dann trat er den Sozialdemokraten bei. Sein politisches Engagement brachte ihm 1990 einen Listenplatz für das Potsdamer Stadtparlament ein, in dem er vier Jahre lang saß. „Danach musste ich Prioritäten setzen“, erklärt er seinen ebenso schnellen Ab- wie zuvor Aufstieg von der kommunalpolitischen Bühne. Puschmann hatte sich 1993 in einem bundesweit ausgeschriebenen Verfahren gegen vier Mitbewerber durchgesetzt und wurde Direktor am Espengrund-Gymnasium. „Es fiel mir schwer, die Kürzungen im Sozialbereich mit dem Gewissen eines Schulleiters zu vereinbaren“, erklärt er. Nach einer kurzen Rückkehr 1996 als Stadtverordneter hat er der Politik nun endgültig den Rücken gekehrt. „Inzwischen gibt es zu viele Politikneurotiker, die vergessen haben, von wem und für wen sie gewählt worden sind“, fasst er seine Enttäuschung zusammen. Vergessen wird er jedoch nie das Zusammentreffen mit Willy Brandt 1991 in Potsdam. Oder sein Erbe, das er am Espengrund-Gymnasium hinterlässt. Sei es die im sechsten Jahr bestehende Schüler-Aktiengesellschaft PENGS, die sportliche Orientierung mit sieben aufeinander folgenden Qualifikationen für das bundesdeutschen Volleyball-Finale bei „Jugend trainiert für Olympia“ oder, dass alle Espengrund-Schüler auf Recyclingpapier schreiben. Puschmann betont, dass dazu ein funktionierendes Kollegium nötig ist, was künftig kommissarisch geführt wird. Ab Montag, wenn Puschmann Rentner ist. J.Brunzlow
J.Brunzlow
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