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Landeshauptstadt: Rüschen und Sushi

47 Firmen sind seit 2005 in Potsdam mit dem Förder-Programm IDA entstanden Ihre Inhaber designen Tanzkleider, veranstalten Koch-Events und leiten Cafés

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Der Stoff aus dem Elvira Savranskis Träume sind, hat rund 5000 Euro gekostet. Bis gestern in die frühen Morgenstunden hinein hat sie noch daran genäht, dann war das letzte von acht Musterkleidern fertig. Die Potsdamerin ist selbstständige Tanzkleid-Designerin. Gestern Nachmittag stellte sie ihre Modelle im Saal des Kongresshotels am Templiner See rund 50 Zuschauern vor – auf der Kontaktbörse für die Teilnehmer des Projekts „IDA – Ideen und Arbeit“.

Im Publikum sitzen Existenzgründer wie sie. Jeder von ihnen war noch vor Kurzem arbeitslos. Nun haben sie mit rund 5000 Euro Starthilfe von der Stadt neue Firmen auf die Beine gestellt. Das Geld für IDA stammt aus dem Regionalbudget, einem Fördertopf vom Land und von der Paga (Potsdamer Arbeitsgemeinschaft zur Grundsicherung Arbeitssuchender). Ungefähr 300 000 Euro davon will die Stadt von 2005 bis Sommer 2007 für Existenzgründer ausgegeben haben, sagt Sozialbeigeordnete Elona Müller in ihrer Eröffnungsrede.

47 Jungfirmen gebe es bereits dank Regionalbudget. Eine Jury hat entschieden welche Bewerber, das Kapital erhalten. Dieses hat auch Jeannette Niebelschütz, die ehemalige Vorsitzende des Brandenburger Kunstvereins bei der Gründung ihres Unternehmens geholfen, sie stellt Designer-Schals her. Unju Jeong, die gebürtige Koreanerin, hat sich ein riesiges Messerset gekauft. Denn Jeong ist Sushi-Künstlerin. Und Alida Babel hat mit dem Geld das Café im Begegnungszentrum des Vereins „Black Flowers“ in der Geschwister-Scholl-Straße eingerichtet. Allerdings laufen noch viele Leute einfach an dem Café vorbei, erzählt Alida Babel. Denn noch weist kein Schild auf das Begegnungszentrum hin. Das wird gerade erst hergestellt. Elvira Savranski hat es da einfacher mit der Werbung. Sie zieht ihre Kleider einfach ihrer Tochter Julia an. Die 18-Jährige posiert dann nicht nur für die Fotos auf Werbeplakaten und Tanzzeitschrifts-Annoncen, sondern ist Finalistin bei den Deutschen Tanzmeisterschaften. Bei ihren Auftritten wird sie von ihren Kollegen oft gefragt: „Von wem ist denn dein Kleid?“ Nun kann sich jeder eines bei ihrer Mutter bestellen – zumal deren Kleider siegen helfen: „Je mehr Rüschen am Popo der Mädchen, desto mehr Punkte gibt die Jury“, so die Designerin. Darum hätten ihre Kleider immer besonders viele Rüschen an dieser Stelle.

Seit November ist Savranski Firmeninhaberin. In sechs Monaten will sie von ihren Einnahmen leben können, bis dahin lebt sie von Hartz IV. Das gehört zum Konzept von IDA. Ein halbes Jahr lang wird den Existenzgründern das Arbeitslosengeld II weiter gezahlt. Danach müssen sie auf eigenen Füßen stehen. Ob das gelingt werde sich erst noch zeigen, so Sozialbeigeordnete Müller. Niemand solle sich jedoch frustrieren lassen, weil sein Unternehmen nicht gleich durchstartet.

Auch die Vereinsmitglieder von „Black Flowers“ haben festgestellt, dass ihr Projekt mehr Arbeit macht, als anfangs angenommen: „Wenn man Öffnungszeiten ab 10 Uhr hat, muss man auch regelmäßig um zehn aufmachen“, so Alida Babel: „Das war einigen im Verein gar nicht bewusst.“ Doch jetzt gebe es nach zwei Monaten bereits Stammkunden, die nur wegen des afrikanischen Bieres und den original afrikanischen und karibischen Speisen kämen, die es sonst nirgends in Potsdam gebe. Zudem trifft sich eine Mutter-Kindgruppe regelmäßig in den Räumen in der Geschwister-Scholl-Straße und ab nächstem Jahr will Babel neben Deutschkursen auch neue Events organisieren. Noch arbeiten dabei alle Black Flowers ehrenamtlich mit , aber Babel glaubt fest daran, dass das Begegnungszentrum irgendwann genug für Löhne abwirft: „Wir können das schaffen!“

Beziehungen könnten dabei helfen, hat sich Gabriele Röder gedacht, die bei der Stadt zuständig für die IDA-Firmen ist. Also hat sie alle Jung-Unternehmer zur Kontaktbörse eingeladen. An zwölf nach Branchen geordneten Tischen konnten die Existenzgründer bei dem Essen im Kongresshotel Erfahrungen und Visitenkarten austauschen. Unju Jeong von „Unju“ knüpft die meisten Kontakte allerdings bei den Sushi- und Kochseminaren, die sie seit September gibt. Auch für den Cateringservice – ein weiteres Standbein ihrer Eine-Frau-Firma. Nachdem sie bereits für mehrere Stadtveranstaltungen gekocht hat, hat das Dorint hotel sie für die Silvestergala 2006 engagiert.

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