Landeshauptstadt: Rüstiger Rentner auf Baugerüst
Maurermeister Friedrich-Wilhelm Francke restauriert seit sechs Wochen ehrenamtlich an Neuendorfer Kirche im Babelsberger Ortskern mit
Stand:
Maurermeister Friedrich-Wilhelm Francke restauriert seit sechs Wochen ehrenamtlich an Neuendorfer Kirche im Babelsberger Ortskern mit Von Linda Könnecke Schutt und Müll liegen überall herum, das ursprüngliche Fußbodenmuster ist kaum noch zu erkennen; Putz rieselt immer wieder von der Decke und verstaubt so manche Sehhilfe, von draußen weht ein kalter Wind durch das Gemäuer. Und doch schwingt sich ein sportlicher Rentner jeden Morgen auf das meterhohe Baugerüst und beginnt mit den Restaurierungsarbeiten: Der Maurermeister Friedrich-Wilhelm Francke baut seit sechs Wochen, zusammen mit Rudolf Moisl und einigen Helfern, das Dachgewölbe der Alten Neuendorfer Kirche in Babelsberg wieder auf. Trotz Ruhestand und seiner 66 Jahre arbeitet er mit äußerst viel Elan in dem alten Gebäude und erfreut sich tagtäglich über jedes Stück, dass ihn mit seiner ehrenamtlichen Tätigkeit an den Ursprungsbau näher kommen lässt. „Wir sind ziemlich gut im Rennen“, stellt Francke fest und lässt dabei den Blick im 150 Jahre alten Gemäuer schweifen. Seit sechs Wochen arbeiten die Männer am Wiederaufbau des historischen Kirchen-Gewölbes auf dem Neuendorfer Anger. Wenn Francke den Baustellen-Besuchern die Wandlungen dereinstigen Kirchenruine zu einer schmucken Kulturstätte erklärt, merkt man ihm die Freude an den Restaurierungsarbeiten an. In Büchern schlau gemacht Ob gotische Fensterrahmen, spezielle Rabitz-Konstruktion oder meisterhandlich angefertigte Weinblätter aus Gips - der Maurermeister gibt stets fachkundige Beschreibungen und weiß zu allem eine kleine Geschichte, schließlich hat er auch schon immer am Neuendorfer Anger gewohnt und kennt die Kirche genauestens: „Früher stand hier noch eine andere, die Bethlehem-Kirche, aber die ist ja im Krieg bombardiert wurden. Im Vergleich dazu ist die Alte Neuendorfer Kirche ja regelrecht verschont geblieben.“ Nur eines der ehemals acht Kirchenfenster bestehe noch, die anderen sieben wurden originalgetreu nachgebildet, das Gemäuer sei dazu „völlig heruntergekommen“ gewesen. Jahrelang stand auch das achteckige Kirchengebäude unter freiem Himmel, da das ursprüngliche Dachgewölbe gänzlich fehlte. Weshalb der Förderverein „Alte Neuendorfer Kirche und Neuendorfer Anger“ den Neuaufbau beschloss und dafür den 66-jährigen Maurermeister Friedrich-Wilhelm als ehrenamtlichen Restaurierer engagierte. Dabei ist diese Art von Gebäude-Restaurierung für den in Babelsberg geborenen Potsdamer „absolutes Neuland“. Schließlich hatte er sich in seiner früheren Tätigkeit als selbstständiger Maurermeister zwar mit Werterhaltung von Gebäuden beschäftigt, in den vielen Jahren Berufserfahrung jedoch mehr mit Fassaden als mit Kirchen-Gewölben zu tun gehabt. „Das ist noch eine ganz alte Handwerkskunst und war zur vorigen Jahrhundertwende noch ganz modern. Aber die heutigen Maurergesellen erlernen das nicht mehr“, erklärt Francke die Schwierigkeiten zu Beginn der Restaurierung der Neuendorfer Kirche. „Da musste selbst ich mir als alter Meister mich noch in Fachliteratur schlau machen, um die Arbeiten professionell und fehlerfrei angehen zu können.“ Zudem halfen ihm historische Bauzeichnungen vom ursprünglichen Dachgewölbe bei der Planung der Gesamtkonstruktion. Weitere historische Skizzen zeigten, dass einstmals ein aufgemaltes Sternendach das Kirchengewölbe schmückte und deshalb auch im Neubau wiederzufinden sein wird. Doch bis es soweit ist, arbeitet Franke, zusammen mit dem Stuckateur-Meister Rudolf Moisl und einigen Angestellten der an der Restauration beteiligten Baudenkmalpflege-Firma Roland Schulze, noch am inneren Mauerwerk, spritzt den Grundputz auf und zieht die einzelnen Profile im Gewölbe, die das Grundflächen-Oktaeder im Dach wiedergeben. Die tägliche, körperliche Anstrengung, die nicht unbedingt jedem Rentner in seinem Alter behagen würde, scheint den rüstigen Mann kaum zu stören. Ganz im Gegenteil. Wenn er an die sechs Wochen denkt, die er bisher an der Neuendorfer Kirche gearbeitet hat, bleibt Friedrich-Wilhelm Francke völlig gelassen, gerade so, als wäre er noch 20 Jahre jünger und befinde sich noch im vollen Berufsalltag. Gar nicht so erstaunlich, wenn man bedenkt, dass der fleißige Mann vier Tage die Woche um sieben Uhr früh seinen Dienst in typischer Maurer-Kluft, bewaffnet mit Mörtel und Spachtel an auf dem Baugelände des Neuendorfer Angers antritt. Bis 14 Uhr wird dann durchgearbeitet, eine Pause gönnt sich der Rentner kaum, an manchen Tagen, wenn Besucher die Restaurationsarbeiten besichtigen kommen, wird es sogar noch später. Nur freitags, und da unterscheidet Francke sich dann doch vom angestellten Baustellen-Arbeiter, bleiben die Werkzeuge liegen. Dann widmet sich der Witwer Bastelarbeiten im Haushalt. Jemand, der jahrzehntelang mit den Händen tätig war, kann eben niemals stillsitzen, sondern ist stetig „am Schaffen“. Aus Liebe zum Beruf Kein Wunder also, dass Francke seinen Lebensabend nicht geruhsam im Lesesessel verbringt, sondern in luftiger Höhe auf den Baugerüsten der Neuendorfer Kirche verbringt und ehrenamtlich volle Arbeitsleistung erbringt. „Das ist wohl die Liebe zum Beruf,“ begründet sein großes Engagement für das historische Gebäude. „Ich wohne doch schon seit Jahren hier und bin doch Maurermeister - da macht man sowas halt.“ Eine recht nüchterne Feststellung vom leidenschaftlichen Restaurator, der sich schon auf das kommende Weihnachtsfest freut: „Am1. Advent wird der blaue Sternenhimmel angemalt sein und am 4. kommt auch endlich das Baugerüst weg, damit die Besucher das Endergebnis bestaunen können.“ Ein weiteres, ähnliches Projekt wird Francke allerdings nicht mehr machen, die Restauration an der Neuendorfer Kirche sei eben einmalig. Genauso einzigartig wie der Maurermeister selbst, der sich noch im Alter ein solch großen Herausforderung stellt. Öffentliche Führungen durch die Baustelle in der Neuendorfer Kirche Am Neuendorfer Anger finden jeweils dienstags und donnerstags von 16 bis 17 Uhr und samstags von 15 bis 17 Uhr statt.
Linda Könnecke
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: