Links und rechts der Langen Brücke: Sachpolitik zählt
Michael Erbach rät der Linken, das Wahlergebnis realistisch zu bewerten
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Nach der (Wahl)Schlacht vom letzten Sonntag war Zeit, in dieser Woche die Wunden zu lecken – und ist es jetzt an der Zeit, nach vorn zu blicken. Noch in diesem Monat wird sich die neue Stadtverordnetenversammlung konstituieren, 56 Stadtverordnete und der Oberbürgermeister als 57. Stimmberechtigter werden daran gehen müssen, Potsdam weiter voran zu bringen. Zwei Fakten aus der Wahlnacht werden dabei eine Rolle spielen: Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg hat dem Stadtoberhaupt im städtischen Kommunal-Wahlkreis IV im direkten Duell eine schwere Niederlage beigebracht, ist der Politiker der Landeshauptstadt, der die meisten Stimmen auf sich vereinen konnte. Das macht ihn stark. Andererseits hat sich das Kräfteverhältnis im Stadtparlament zugunsten von Jakobs entwickelt. Im günstigsten Fall kann die bürgerliche Mehrheit den 17 Abgeordneten von der Linken 31 Stimmen entgegen setzen: 15 von der SPD, sieben von der CDU, fünf Bündnisgrüne, drei Liberale und die Stimme von Klaus Rietz, der sich als einziger der Wählergemeinschaft Nord/West womöglich der CDU anschließen oder der FDP durch einen Beitritt sogar zum Fraktionsstatus verhelfen kann.
Wie also wird sich die Linke, wird sich Scharfenberg angesichts dieser Situation verhalten – im Augenschein der in zwei Jahren anstehenden Oberbürgermeisterwahl? Der größte Fehler der Linken wäre es, in den kommenden Monaten immer wieder auf das Kommunalwahl-Ergebnis zu verweisen und einen angeblich angeschlagenen Oberbürgermeister vorführen zu wollen. Das führt nicht nur zu Verhärtungen, es ist auch sinnlos, weil dies mit den vor den Abgeordneten stehenden Aufgaben nichts zu tun hat. Auch kann die Linke aufgrund des veränderten Kräfteverhältnisses nicht darauf bauen, anstehende Entscheidungen blockieren zu können beziehungsweise darauf zu hoffen, der Verwaltung Zugeständnisse – wie im Fall der Stadtschlossentscheidung – abringen zu können. Für Machtspiele der Linken also taugt das neue Stadtparlament wenig.
Was also kann die Scharfenberg-Fraktion tun, um sich für das wirkliche Duell im Jahr 2010 zu rüsten? Allein kluge Sachpolitik ist das Mittel für die stärkste Fraktion im Stadtparlament, ihrem Vordenker eine einigermaßen günstige Ausgangsposition für die OB-Wahl zu verschaffen. Dabei geht es darum, die eigene Klientel zu bedienen, aber auch in anderen Teilen der Bevölkerung zu punkten – denn nur mit den Stimmen vom vergangenen Sonntag kann Scharfenberg die Oberbürgermeister-Wahl nicht gewinnen.
Die Linke hat also eine echte Chance, weiter die Landeshauptstadt Potsdam mit zu gestalten. Allerdings würde es weniger das Verdienst der Linken, sondern vielmehr die Uneinigkeit und das Unvermögen der anderen Fraktionen sein, wenn dies in vollem Umfang gelingen sollte.
Michael Erbach
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