Von Juliane Wedemeyer: Salat, Äpfel und bald auch Käse
2008 erhielt die Potsdamer Tafel weniger Lebensmittel, dafür bekommt sie einen Kühltransporter
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Es gebe immer nur Salat, Salat, Salat, schimpft die Frau mit der großen Einkaufstasche. Sie steht vor dem Jugendklub im Bürgerhaus am Schlaatz und wartet, dass sich die Glastür zur Ausgabe der Potsdamer Tafel öffnet. Sie wolle auch mal Käse und Wurst, sagt sie. Wenn sie wüsste, mit wie viel Freude Dietgard Nehm, ihr Mann Rudolf und die anderen neun freiwilligen Helfer hinter der Glastür gerade Äpfel, Gurken und Brot für sie und die anderen rund 70 Tafelkunden sortieren – sie würde vielleicht nicht zetern.
Auf den Tischen der Potsdamer Tafel stapeln sich tatsächlich die Salatköpfe in drei großen Holzkisten. Die Lebensmittel sind die Reste, die in Potsdamer Supermärkten, Restaurants und Hotels liegen geblieben sind. Diese spenden sie dem Verein – rund 35 Tonnen jeden Monat. Mehr als 100 Ehrenamtler verteilen sie in drei Ausgabestellen kostenlos an 1000 bedürftige Potsdamer. 2008 habe die Tafel allerdings weniger Nahrungsreste erhalten, sagt Rudolf Nehm. In Zeiten der Finanzkrise kauften die Märkte und Restaurants knapper ein, glaubt er. Es bleibe weniger übrig.
Viel übrig bleibt dagegen in Potsdams Kleingärten. Zwischen 30 und 40 Tonnen Obst pro Jahr vergammelten als Ernteüberschuss laut des Kreisverbands der Garten- und Siedlerfreunde dort. 10 bis 15 000 Apfelbäume ständen in den 75 Sparten seines Verbandes, sagt der Vorsitzende Friedrich Niehaus. Der Verband hat dieses Jahr die Äpfel zum ersten Mal gesammelt. Gestern kam die erste Ladung bei der Tafel an. 500 Kilogramm soll sie dieses Jahr bekommen, im nächsten Jahr noch mehr. Niehaus hat drei Annahmestellen für die Kleingärtner organisiert. Schon im März will er die Kleingärtner dann dazu aufrufen, ihre Reste dort hinzubringen.
Die Schlaatzer Tafel-Helfer sind extra früher ins Bürgerhaus gekommen, um die Äpfel aus den Kisten in Tüten zu packen, jeder Bedürftige soll später eine in die Hand gedrückt bekommen. Die ersten von ihnen stehen schon eine halbe Stunde vor der Öffnungszeit vor der Tür. Männer und Frauen. Jugendliche mit trendigen Umhängetaschen und alte Frauen mit geblümten Kopftüchern. „Ich hoffe, es gibt was Süßes für meine Kinder“, sagt eine junge Frau. Schokoweihnachtsmänner und Schokolade gebe es leider immer erst nach der Weihnachtszeit, sagt Dietgard Nehm. Dafür gibt es zur Adventszeit aber Kaffee und ein wenig Baumschmuck.
Was auf den Tafeltischen aber tatsächlich fast immer fehle, seien Milch und Fleisch-Produkte, erklärt Rudolf Nehm. „Wir dürfen die Kühlkette ja nicht unterbrechen. Das verbietet die Hygiene. Wir müssten den Käse in Kühlautos abholen und hier auch in Kühlschränken lagern“, erklärt er. Noch habe die Tafel aber keine Kühlautos. Das soll im nächsten Jahr anders werden, sagt Tafelchef Oliver Bohrisch später am Telefon. Zurzeit werde gerade einer der drei Lebensmitteltransporter dafür umgebaut. Rund 7000 Euro koste das, der Verein bezahlt sie aus Spenden. Und die Supermarkt-Kette Lidl wolle ab nächstem Jahr mehr Käse und Wurst zur Verfügung stellen. Es fehlten dann nur noch die Kühlschränke für die Ausgaben vor Ort. Denn auch dort müssten die Milch- und Fleischprodukte ja hygienisch gelagert werden.
Um 12.30 Uhr öffnet sich die Glastür an der Ausgabe am Schlaatz. „So, es geht los!“, ruft jemand. Die elf Ehrenamtler stellen sich auf. Bis 14 Uhr werden sie rund 70 Menschen mit Brot, Obst und Gemüse versorgt haben. Jeder hat seine Aufgabe: Dietgard Nehm packt das Brot für die Bedürftigen ein. Rudolf Nehm muss den Überblick behalten, dort, wo es nötig ist, mit anpacken und die heruntergefallenen Obst- und Gemüsereste vom gefliesten Boden kehren. Die elf Helfer arbeiten routiniert und schnell. Die Menschen auf der anderen Seite der Tür sollen nicht unnötig warten.
www.potsdamer-tafel.de
Juliane Wedemeyer
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