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Landeshauptstadt: „Sauerstoffschub nach der Schule“

Der 19-jährige Christoph arbeitet ein Jahr im Potsdamer Seglerverein – nur eine von vielen FSJ-Stellen

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Als Christoph das Tor des Potsdamer Seglervereins öffnet, hält er ein paar Zweige in der Hand. Der 19-Jährige leistet ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im Seglerverein am Templiner See – seine Arbeit spielt sich jedoch nicht nur auf dem Wasser ab. Christoph ist eine Art Mädchen für alles: Neben den Trainigsstunden auf dem Wasser, in denen er die Segellehrer unterstützt, muss er auch die Boote in Ordnung halten und auch Mal reparieren. Aber auch weniger spannende Dinge, wie den Rasen mähen oder eben Zweige sammeln, gehören dazu.

Nachdem Christoph in diesem Sommer sein Abitur am Gymnasium Michendorf absolvierte, stand für ihn, wie für seine Klassenkameraden die Entscheidung an: Wehr- oder Zivildienst? Christoph entdeckte das FSJ als dritte Möglichkeit: „Viele Vereine können keine Zivildienststelle anbieten, aber ein FSJ ist oft möglich“, erklärt er. „Für mich ist die Arbeit ein guter Kontrast zum Lernen in der Schule – ein richtiger Sauerstoffschub“. Der Freiwilligendienst kann sowohl von jungen Männern als auch von jungen Frauen abgeleistet werden – erstere bekommen das Jahr als Zivildienstersatz angerechnet. Das Modell hat Erfolg: Etwa 23 000 junge Menschen jährlich absolvieren derzeit ein Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr, wobei die Nachfrage noch erheblich höher sei, wie Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) mitteilte. In Zukunft sollen auch mehrere kürzere Dienste möglich sein, auch eine Kombination von Arbeitsstellen im In- und Ausland sei denkbar. Wer nach einem Jahr noch nicht genug hat, soll seine Arbeitszeit in Zukunft auch auf 24 Monate verlängern können.

Doch es gibt auch Nachteile: Im Gegensatz zum Zivil- oder Wehrdienst, der vergleichsweise gut bezahlt ist, erhalten die FSJ“ler lediglich ein Taschengeld. Christoph muss mit knapp 300 Euro im Monat auskommen, eine Wohnung – wie bei Wehr- und Zivildienst üblich – bekommt er nicht gestellt. Dafür aber jede Menge Erfahrung: „Viele von den Segelschülern können mir noch viel beibringen“, sagt er. Selbsterfahrung hatte er vorher nur durch gelegentliche Touren mit seinem Vater. Während die Schülergruppen auf dem Wasser sind, fährt Christoph mit dem kleinen Motorboot der Trainer zwischen ihnen hin und her, wirf Bojen als Ziele aus und hilft den Schülern mit Startschwierigkeiten. Jeden Montag kommt eine Gruppe teilweise körper- und geistig behinderter Schüler der Comeniusschule zum Training. Denen hilft Christoph zwar ein bisschen mehr beim Aufbauen der Boote, aber ansonsten ist das Training nicht viel anders: „Ein paar Sachen muss ich öfter sagen, damit sie mich ernst nehmen“, sagt Christoph und lacht. „Aber ansonsten ist es eine Fahrt wie immer.“

Wenn sein FSJ im kommenden Sommer vorbei ist, will Christoph Maschinenbau studieren, am liebsten in einem dualen Studiengang, in dem die Ausbildung in einem Betrieb gleich integriert ist: „Wenn ich mich dann bei den großen Konzernen bewerbe, achten die nicht nur auf Auslandserfahrung sondern auch auf Engagement – da habe ich schon Mal ganz gute Karten“, sagt Christoph. Dafür lohnt sich auch die Gartenarbeit. Frida Thurm

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