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Landeshauptstadt: Schaden für die deutsche Wissenschaft

Die Institute und Hochschulen Potsdams sehen die Sicherheit für ihre ausländischen Kollegen nicht mehr gewährleistet

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Mit Erschütterung und großer Besorgnis haben Institute und Hochschulen in Potsdam auf den rassistischen Mordversuch an Ermyas M. reagiert. Das Institut für Agrartechnik Bornim (ATB), an dem der Deutsch-Afrikaner arbeitet, befürchtet, dass das Image des Forschungsstandortes schwer beschädigt wurde. Bislang hätten in Potsdam Menschen unterschiedlicher Nationalitäten friedlich miteinander leben, studieren und forschen können, heißt es in einem offenen Brief. „Bis Sonntag konnten sich unsere ausländischen Kollegen in unserer Stadt sicher fühlen.“

Die gute Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern anderer Nationen sei unabdingbare Voraussetzung für kreative Forschung und exzellente Forschungsergebnisse, schreiben die Agrarforscher. „Es ist nun an uns zu beweisen, dass dieser Überfall eine Ausnahmetat war, die sich nicht wiederholen darf.“ Die Leibniz-Gemeinschaft, der das ATB angehört, befürchtet auch Auswirkungen auf den Wissenschaftsstandort Deutschland. „Offensichtlich fremdenfeindliche Anschläge wie dieser schaden auch der deutschen Wissenschaft in ihren Versuchen, ausländische Wissenschaftler nach Deutschland zu holen“, so der Leibniz-Präsident Ernst Theodor Rietschel. Der ehemalige Leibniz-Präsident Hans-Olaf Henkel hat die ausgesetzte Belohnung auf die Ergreifung der Täter um 5000 Euro aufgestockt.

Die Rektorin der Fachhochschule Potsdam, Prof. Helene Kleine, sagte gegenüber den PNN, dass immer wieder Forscher einen Aufenthalt in Potsdam ablehnen, weil sie um ihre Sicherheit besorgt sind. „Ausländische Wissenschaftler berichten uns auch von Unfreundlichkeit und unterschwelliger Aggression gegen sie“, so die Rektorin, die auch im Vorstand des Vereins Pro-Wissenschaft ist. Kleine drückte ihr tiefes Mitgefühl für Ermyas M. sowie seine Frau und Kinder aus. Auch sollte man die Zivilcourage des Taxifahrers anerkennen, der versucht hat, die Täter zu stellen und dem Opfer half. Kleine wertete die Welle der Solidarität und Unterstützung aus der Bevölkerung als ein positives Zeichen. „Ich hoffe, dass dies unseren ausländischen Mitarbeitern und Studierenden das Gefühl gibt, hier willkommen zu sein.“

Auch die Universität Potsdam verurteilt die Gewalttat auf das Äußerste. „In einer Zeit internationaler Zusammenarbeit, auf die sowohl Forschung als auch Lehre in entschiedenem Maße angewiesen ist, schaden derartige Übergriffe nicht nur dem Wissenschaftsstandort Potsdam, sondern auch dem Bild der Bundesrepublik Deutschland insgesamt“, sagte Prorektor Prof. Harald Fuhr den PNN. „Wir hoffen, dass der Kollege vom ATB keine bleibenden Schäden erleidet, schnell gesundet, und die Gewalttat eine schnelle Aufklärung findet.“

Der Direktor des weltweit renommierten Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Prof. Hans-Joachim Schellnhuber sieht sein Institut von dem Vorfall direkt betroffen. Am PIK sind zahlreiche ausländische Forscher beschäftigt. Absagen von Forschern aus dem Ausland sind dem Physiker noch aus den 90er-Jahren bekannt. Eine Garantie dafür, dass Menschen aus aller Welt in Potsdam ungefährdet arbeiten und leben können, sei die Voraussetzung für eine Klima der Zusammenarbeit. Der aktuelle Überfall mache die Aufbauarbeit der vergangenen Jahre zunichte. „Die Justiz hat zudem bei rechter Gewalt oft nicht die gebotene Härte gezeigt“, so Schellnhuber. Ebenso besorgt um die Sicherheit seiner ausländischen Gäste zeigte sich Prof. Gerhard Huisken, Direktor des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik.

Der Anteil der ausländischen Wissenschaftler in Potsdam ist hoch. Zudem studieren in Brandenburg rund 5400 Ausländer, allein an der Uni Potsdam sind es über 1800. Die Angst unter ihnen ist nun groß. Der Potsdamer Student Richard Agyepong (29) aus Ghana nannte gegenüber der „taz“ drastische Verhaltensregeln. So gehe er etwa niemals in die Nähe eines Stadions; wenn er angepöbelt wird, gehe er weiter; abends wage er sich niemals allein aus dem Haus.

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