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Strafanzeige gegen Potsdam: Scharfe Kritik an Baumfällungen im Stadtgebiet

Eine beispiellose Serie von Baumfällungen im Potsdamer Stadtgebiet erregt die Gemüter. Bürgerinitiativen, Naturschutzverbände und lokale Politiker reagieren mit Fassungslosigkeit.

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Potsdam - Vom städtischen Grünflächenamt stammt eine Liste mit 105 Bäumen, die in diesem Herbst in Potsdam gefällt oder deren Kronen gestutzt werden sollen. Besonders kritisiert werden Fällungspläne in Drewitz ausgerechnet zum Anlegen eines Parkes in der Konrad-Wolf-Allee. Zu heftigen Reaktionen führte auch die Fällung von zehn 200 Jahre alten und gesunden Eichen in der Nedlitzer Straße.

„Überall werden die Bäume weggeknallt“, erregt sich der Stadtverordnete Andreas Menzel (Bündnisgrüne). Im Fokus steht ein teils intransparentes, in einem Fall womöglich sogar illegales Vorgehen der Potsdamer Stadtverwaltung. „Die Kriminalpolizei ermittelt“, erklärte Axel Heinzel-Berndt, Referent beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), den PNN. Nach der Fällung von 16 Alleebäumen in der Berliner Straße Anfang Oktober hatte Berndt via Internetwache Strafanzeige gestellt, da die Naturschutzverbände zu den Fällabsichten nicht gehört wurden, obwohl dies laut Landesnaturschutzgesetz notwendig gewesen wäre. Berndt schreibt in seiner Anzeige: „Zur Durchführung der Straftat“ habe die Landeshauptstadt Potsdam eine Baumfällfirma beauftragt. Erst am 11. Oktober – die Bäume waren längst gefällt – wurden die Naturschutzverbände zur Stellungnahme aufgefordert. Heinzel-Berndt weiß, was er schreiben wird: „Wir werden diese Beteiligung als sinnlos bezeichnen.“

Herbert Claes, Leiter des Bereiches Grünflächen, teilte dazu mit, nach der Anzeige wurde „unmittelbar ein Baustopp“ verhängt. Der Umweltausschuss der Stadt sei von den Fällplänen vorab informiert worden. Claes: „Warum die Naturschutzverbände keine Kenntnis von dieser Ankündigung erhalten haben, konnte nachträglich nicht mehr geklärt werden.“

Allerdings bietet die Beteiligung des Potsdamer Landesbüros anerkannter Naturschutzverbände keine Sicherheitsgarantie für gesunde Alleebäume. Der Grund: Die von den Bündnisgrünen bereits harsch kritisierte Fällung alter Eichen in der Nedlitzer Straße war Heinzel-Berndt zufolge bereits im Jahr 2008 von den Naturschutzverbänden befürwortet worden. Heinzel-Berndt: „Aus heutiger Sicht kann man sagen, das war falsch.“

Die Bäume werden laut Stadtverwaltung gefällt, um eine Einfahrt für den Campus am Jungfernsee des Software-Milliardärs Hasso Plattner zu schaffen. Damals hätten sich die Naturschützer – nicht selten auch Friedensaktivisten – vom Konversionsgedanken hinreißen lassen. Eigentlich, schätzt Heinzel-Berndt heute ein, hätten auch die alten Einfahrten der zuletzt von der roten Armee genutzten Grauen Kasernen für den Plattner-Campus genutzt werden können. Auch für die Panzer der Sowjets hätten sie genügt.

Die gefällten Nedlitzer Eichen waren zwischenzeitig sogar vom geschützten Großen Heldbockkäfer besiedelt. Matthias Freude, Präsident des Landesumweltamtes, bezeichnete die Stadt Potsdam jüngst sogar als „Welthauptstadt des Heldbocks“. Dass die gefällten zehn Großeichen vom Heldbockkäfer besiedelt waren, werde heute „als neue Erkenntnis“ behandelt – was, wie BUND-Referent Heinzel-Berndt sagt, „auch am Thema vorbei geht“. Der Grund: Schon beim Bau der Straßenbahntrasse ins Bornstedter Feld habe die Bahnlinie eine „Käfer-Kurve“ um die Nedlitzer Straße machen müssen. Das war bereits 2001. Erik Paschke, Referatsleiter Naturschutz beim Landesumweltamt, erklärte dagegen, an den gefällten Bäumen wurden „alte Fraßlöcher“ des Käfers festgestellt, jedoch „keine aktuelle Besiedlung“. Dennoch hätte sich die Stadt Potsdam besser überlegen sollen, „wo sie die Zufahrten hinplant“, sagte Paschke.

Eine etwaige Verbindung der Eichenfällungen mit einer geplanten künftigen Tramtrasse zum Campus am Jungfernsee gibt es nach Stadtangaben nicht. Es gehe um die Straßeneinfahrten. Für den Bau der Tramtrasse gebe es noch keine Termine, so die Verwaltung.

Die Fällwut in Nedlitz wird indes noch die Stadtverordneten beschäftigten. Saskia Hüneke (Bündnisgrüne) stellte den Antrag, wonach bei Hochbauten Bäume künftig „eine hohe Priorität“ genießen sollen.

Völlige Irritation herrscht in Drewitz. Dort sollen im Zuge der Umsetzung des Gartenstadt-Konzeptes noch 30 Bäume fallen, darunter 20 zur Herstellung des neuen Parks in der Konrad-Wolf-Allee. Ein Baumschützer hat die Bäume mit einer weißen Schleife und kleinen Spruchzetteln versehen. „Kaum gepflegt, krank geworden, abgesägt!“, steht auf einem. Die Stadt teilte mit, 128 Baumfällungen stehen 163 Neupflanzungen gegenüber. Hartmut Böhm und Wolfgang Beier vom Drewitzer Bürgeraktiv unterstützen das Anliegen des unbekannten Einzelkämpfers. Bei gutem Willen könnte mehr als die Hälfte der Bäume erhalten werden, glaubt Böhm. Eine 30 Jahre alte Platane, die dem im Frühjahr 2013 beginnenden Bau eines zweiten Kreisverkehrs für die Konrad-Wolf-Allee weichen soll, hat es dem Biochemiker im Ruhestand besonders angetan. Böhm: „Wir fordern eine Herangehensweise mit einem gewissen Respekt vor dem Grün“.

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