Landeshauptstadt: Schärfere Kontrollen, mehr Beweislast
Neue Gesetze für Hartz IV: Paga rechnet mit 50 Prozent weniger Anträgen
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Weniger Papierkrieg – das ist der einzige Vorteil für Potsdams Hartz-IV-Empfänger: Dank der jüngsten Änderungen der Sozialgesetzgebung müssen sie die Anträge auf Arbeitslosengeld II in der Regel nur einmal im Jahr stellen. Bisher mussten sie die 16-seitigen Formulare mindestens alle sechs Monate ausfüllen. Dennoch würden die meisten seit gestern bundesweit gültigen Neuerungen die Hilfebedürftigen „mehr belasten“, sagte Uta Kitzmann, Sprecherin der Paga (Potsdamer Arbeitsgemeinschaft zur Grundsicherung Arbeitssuchender) gestern vor Journalisten.
Die Arbeit der Behörde dagegen werde erleichtert. Auch dadurch, dass sich ihre Mitarbeiter künftig nur noch einmal im Jahr durch die einzelnen Antragsformulare kämpfen müssen. Bis zu monatlich 1800 Folgeanträge würden auf diese Weise wegfallen, so Kitzmann. Die stellvertretende Paga-Geschäftsführerin, Gudrun Sudau, erwartet sogar, dass sich die „Antragsflut“ halbiert. Sie hoffe, dass ihre Mitarbeiter dann auch den Rückstau an unbearbeiteten Folgeanträge abarbeiten können. Deren Zahl lag selbst im zweiten Jahr der Hartz-IV-Reform zeitweise bei 2800.
Zeit und Arbeitskraft spart die Paga seit gestern auch, wenn es darum geht, Hilfeempfänger als „eheähnliche Lebensgemeinschaften“ einzustufen. Diese erhalten weniger Geld von Staat und Stadt, weil sie in nur einem Haushalt leben und sich gegenseitig stützen. Zum ersten Mal gebe es nun „klare Normen“, nach denen die Behörde entscheiden könne, ob die Betroffenen ein Paar sind, so Kitzmann: „Eine eheähnliche oder lebenspartnerschaftliche Gemeinschaft wird dann vermutet, wenn die Partner seit mindestens einem Jahr zusammenleben, über Einkommen und Vermögen des Partners verfügen können, gemeinsame Kinder haben oder gemeinsam Kinder oder Angehörige versorgen“, steht im Sozialgesetzbuch II. Das gelte auch für homosexuelle Partnerschaften, betonte Edelgard Woythe, Chefin der Arbeitsagentur Potsdam.
Nachweisen muss die Paga die eheähnlichen Verhältnisse nicht mehr und kann so auf einen „unwahrscheinlich aufwendigen Prozess“ verzichten, so Kitzmann. Denn die Beweislast, dass die Partnerschaft nicht auf Dauer angelegt ist und beide in Notfällen nicht füreinander einstehen, liegt laut Gesetz nun bei ihnen. Und „eine bloße Behauptung“ genüge nicht. Kontoauszüge und Mietverträge können Zusammenwohnende entlasten sowie Wohnungsbesichtigungen durch die beiden Paga-Außendienst-Mitarbeiter, die beurteilen, ob der Haushalt tatsächlich getrennt geführt wird. Neu ist in Potsdam auch, das Arbeitslose ihren Urlaub genehmigen lassen müssen, so Paga-Sprecherin Kitzmann. Drei Wochen Urlaub stehen ihnen zu. Wer länger dem Wohnort fern bleibt oder sich zu spät zurückmeldet, muss damit rechnen, dass Leistungen gestrichen werden.
Um Leistungsmissbrauch schneller zu erkennen, darf die Paga zudem künftig nicht nur Auskünfte bei Banken, beim Kraftfahrt-Bundesamt und den örtlichen Meldestellen einholen. Sie darf nun auch das „Service Center“ der Bundesagentur in Cottbus nutzen – zum Datenvergleich. Eigentlich können sich Hartz-IV-Empfänger dort beraten lassen. Zusätzlich dürfen die Callcenter-Mitarbeiter die Arbeitslosen nun am Telefon nach ihren Lebensumständen befragen. Am 1. August sollen diese Umfragen starten. Allerdings gebe es offenbar keinen besonders hohen Missbrauch in Potsdam: Derzeit würden lediglich rund 60 Fälle geprüft. J. Wedemeyer
J. Wedemeyer
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