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Aus dem GERICHTSSAAL: Scheinehe oder Liebe auf den ersten Blick?

Schöffengericht: Beweismittel reichen nicht aus für Verurteilung/Freispruch

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Aus dem GERICHTSSAALSchöffengericht: Beweismittel reichen nicht aus für Verurteilung/Freispruch Tatjana T.* aus der Ukraine wollte unbedingt nach Deutschland. Dafür fälschte sie sogar ihre Papiere. Die Ausländerbehörde roch den Braten und erließ am 6.Februar 2002 eine Ausweisungsverfügung, verhängte gleichzeitig eine Einreisesperre. Doch Tatjana blieb in Potsdam, angelte sich Joachim J.*. Der heiratete die Frau zwei Wochen später in Dänemark. Siegesgewiss erschienen die Frischvermählten danach erneut bei der Stadtverwaltung. Schließlich hätten sie eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft gegründet, eine gemeinsame Wohnung in der Goethestraße bezogen – alles Voraussetzungen für die ersehnte Aufenthaltserlaubnis. Inzwischen observierte die Polizei die vermeintliche Ehewohnung. Joachim J. – u. a. vorbestraft wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz – sollte die Beamten auf die Spur des vermeintlichen Kopfes mutmaßlicher Schleuser bringen, gegen den aktuell ermittelt wurde. Die Ordnungshüter staunten nicht schlecht, dass sich der Potsdamer so gut wie nie bei seiner jungen Ehefrau in der Goethestraße aufhielt. „Sein Lebensmittelpunkt war zu dieser Zeit in der Sonnentaustraße“, bringt es ein Polizeizeuge auf den Punkt. In dem Mietshaus wohnte Swetlana S.* – ebenfalls eine Ukrainerin – mit ihrem kleinen Sohn, dessen Vater Joachim J. ist. „Das Paar verließ und betrat die Wohnung zusammen, fuhr auch gemeinsam einkaufen“, so der Beamte während der gestrigen Schöffengerichtsverhandlung. Der Staatsanwalt ist überzeugt, Joachim J. (36) führte die Ehe nur zum Schein, um das Gesetz auszuhebeln. Der Unternehmer möchte sich zum Tatvorwurf nicht äußern. Tatjana T. hat die Bundesrepublik inzwischen verlassen. Doch Swetlana S. (32) ist noch da. Im Zeugenstand tut sie sich schwer, ihre einstige Beziehung zu dem Angeklagten zu offenbaren. Doch es gibt das im Oktober 2001 geborene Kind. Obwohl sich das Zusammenleben mit dem Mann nicht so gestaltete, wie sie es erhoffte, habe er sich regelmäßig in der Wohnung aufgehalten, so auch während der Zeit der vermeintlichen Flitterwochen mit ihrer Nebenbuhlerin. Von dieser habe sie erst durch einen Polizeieinsatz im April 2002 in ihren vier Wänden erfahren. Viele Mosaikteilchen während der Beweisaufnahme hätten ein klares Bild ergeben, konstatiert der Vertreter der Anklage und beantragt, den bereits wegen Einschleusens von Ausländern Vorbestraften zu 18 Monaten Haft zu verurteilen. Sein Mandant halte nach wie vor an der Ehe fest, schicke seiner Frau regelmäßig Päckchen in die Ukraine, entgegnet der Verteidiger und fordert Freispruch. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Dr. Birgit von Bülow folgt seinem Antrag, hegt allerdings Zweifel an der Lauterkeit der geschlossenen Ehe. „Aber unsere Beweismittel reichen nicht aus, dem Angeklagten das Gegenteil zu belegen. Sein Bruder machte während der Verhandlung von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Die Ehefrau – hätten wir sie geladen – würde wahrscheinlich auch nichts sagen“, vermutet die Richterin. (*Namen geändert.) Hoga

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