Landeshauptstadt: Schiffbauer aller Länder
Kulturstandort setzt Zeichen für Weltoffenheit / Reaktion auf Fall Ermyas M.
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Die „Schiffbauer“, die Kulturschaffenden und Gewerbetreibenden der Schiffbauergasse, wollen ein Zeichen für Weltoffenheit und Toleranz setzen. Gestern stellten sie ihr Vorhaben im Tanztheater „fabrik“ vor. So fertigten sie spezielle Buttons: Abzeichen mit der Aufschrift „Ich bin Schiffbauer und komme aus “. An der freien Stellen tragen sie jeweils den Namen ihrer Heimat ein. Zudem wurden Plakate gedruckt, die für ein Miteinander von Menschen verschiedener Herkunft werben. Weiterhin wollen die Schiffbauer bis zum Frühjahr eine Skulptur am Standort errichten, an deren Gestaltung sich alle beteiligen und die den „Spirit“, den interkulturellen Geist am Ort ausdrückt.
Die Initiative für die Aktion „Zeichen setzen“ ging vom VW Design Center aus. Dessen Leiter Thomas Ingenlath sagte, die „Geschehnisse um die Ostertage“ in Potsdam – der brutalen Angriff auf den Deutsch-Äthiopier Ermyas M. – hätten ihn sehr bewegt. Da von den 114 Mitarbeitern des VW Design Centers 45 Ausländer sind, was einer Ausländerquote von 40 Prozent entspricht, sei bei ihm nach dem Überfall nicht nur eine „abstrakte Sorge“ um das geistige Klima in der Stadt aufgekommen. Vielmehr mache er sich „konkrete Sorgen um das physische Wohlergehen unserer Mitarbeiter“. Da die Einrichtungen an der Schiffbauergasse gut vernetzt sind, sei schnell der gemeinsame Wunsch gereift, ein positives Zeichen zu setzen. Das gemeinsame Wirken von Menschen aus unterschiedlichen Ländern sei im Design Center „völlige Normalität“. Ingenlath: „Wir sind ein internationaler Haufen, ein Sprachbabylon.“ Was für VW gelte, treffe auch für Standort-Nachbar Oracle mit seinen weltweit 55000 Mitarbeitern zu. Auch die Kultureinrichtungen stünden mit ihren internationalen Künstlern und Festivals für Weltoffenheit. Ingenlath selbst habe zwei Jahre in London und zwei Monate in Moskau studiert.
Es sei schlimm, wenn Menschen wegen ihrer Herkunft angegriffen werden und niemand der Umstehenden helfen will, erklärte Hala Kindelberger vom Ausländer-Beirat Potsdam. Die geborene Ägypterin sagte am Rande den PNN, dass einem nicht beigestanden werde, gebe das Gefühl, ausgeliefert zu sein. Es bedeute „Entzug von Sicherheit“. Vietnamesen erzählten ihr, dass es vor der Wende nicht einmal latenten Rassismus in Ostdeutschland gegeben habe. Die Angst vor Konkurrenz habe die Menschen verändert. Auch hinsichtlich der gut verdienenden Mitarbeiter von VW und Oracle erklärte sie: „Der Mensch fängt an, tolerant zu werden, wenn das Brot gesichert ist“.
Er wurde 200 Meter von der Schiffbauergasse entfernt geboren und habe nie außerhalb von Potsdam gelebt, sagte Frank Reich vom Landesverband freier Theater. Dennoch habe er sich entwickelt. Schon die Gründungs-Intention der Schiffbauergasse sei die Förderung internationaler Tendenzen gewesen. Dass Globalplayer wie VW und Oracle nun mitmachen, „passt uns völlig“, so Reich, selbst ein „Urakteur“ vor Ort. Guido Berg
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