Homepage: Schinken mit Milchreis Feuerzangenbowle der Polarforscher in Ny-Ålesund
POST AUS DEM EIS Potsdamer Polarforscher arbeiten das ganze Jahr über in der Koldewey-Station auf Spitzbergen, auch in der dunklen und kalten Zeit der Polarnacht. Wie kommen sie zurecht mit der Einsamkeit, der Kälte, den Monaten ohne Tageslicht?
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POST AUS DEM EIS Potsdamer Polarforscher arbeiten das ganze Jahr über in der Koldewey-Station auf Spitzbergen, auch in der dunklen und kalten Zeit der Polarnacht. Wie kommen sie zurecht mit der Einsamkeit, der Kälte, den Monaten ohne Tageslicht? Den PNN schicken sie regelmäßig eine Botschaft aus dem Eis. 6. bis 12. Dezember: Was war das für ein Spaß! In frisch gefallenem Schnee sind Konstanze, unsere Chefingenieurin, Christine von der Uni Bremen und ich in der Nacht zum Nikolaustag von Haus zu Haus gelaufen und haben die Stiefel der 38 anderen Ny-Ålesunder mit Süßigkeiten gefüllt. Der Nikolausmorgen war der Auftakt der Weihnachtsfeierlichkeiten im Ort. Am selben Abend hat die Kantine das traditionell opulente Weihnachtsessen, „Julebord“, bereitet: ein Buffet mit zehn verschiedenen warmen und mehreren Dutzend kalten Speisen. Eine Auswahl von Fleischgerichten, Geflügel und Fisch, davor ein Aperitif, den Konstanze und ich mit Weihnachtsliedern, gespielt auf Saxophon und Keyboard, zu versüßen versuchten. Für die norwegischen Einwohner von Ny-Ålesund hat mit dem aktuellen Vollmond auch die Schneescootersaison begonnen. Schneescooter sind ein- oder zweisitzige Gefährte mit zwei Kufen und einem Raupenantrieb, mit denen man sehr schnell über die schneebedeckte Tundra fahren kann. Man kann aber den Scooter auch als bequemen Sessel verwenden. Und so dachten sich Tor, Ernst und Roger, es wäre doch schick, ein Scooterkino zu haben. Die Bauanleitung ist einfach: Mit dem Bagger einen großen Schneehaufen aufschieben und eine halbwegs glatte senkrechte Wand herausschneiden. Davor einen Videobeamer, daneben einen Grill mit frischem Robbenfleisch. Und passend zur Installation wird der Animationsfilm „Eiszeit“ gezeigt. Zum letzten Mal in diesem Jahr haben wir am Montag eine Gastwissenschaftlerin an der Station erwartet. Allerdings mussten wir respektieren, dass das Wetter in der Arktis immer die letzte Instanz in Reisefragen ist. Dr. Marion Müller, Atmosphärenforscherin aus Potsdam, musste einen Tag länger als vorgesehen im Spitzbergener Verwaltungssitz Longyearbyen bleiben, bis die Wetterbedingungen gut genug waren, damit das kleine 14-sitzige Flugzeug nach Ny-Ålesund aufbrechen konnte. Nicht genug damit, dass Marions Aufenthalt so von geplanten zehn auf nur neun Tage verkürzt wurde, auch die vier am Donnerstag abreisenden Kollegen hatten noch einige Überraschungen für uns auf Lager: Einen Tag vor Abreise versagte das Mikrowellen-Radiometer und konnte nur durch Überstunden bis spät in die Nacht wieder in Stand gesetzt werden. Auch die neue Kuppel für das Sternteleskop zeigte eine Kinderkrankheit. Dazu kamen die Abreisevorbereitungen. So erschien uns der Mittwoch, als wären Dienstag, Mittwoch und Donnerstag auf einen Tag gefallen. Beim Abendessen aber wurden wir entschädigt, als jemand aus der Küche rief: „Kommt schnell, draußen sind gerade wahnsinnig helle Polarlichter!“ Und in der Tat, anders als sonst, bei den nun täglich mehrmals sichtbaren grünen Polarlichtern, erwarteten uns helle weißlich-rosafarbene Vorhänge, die in schnell wechselnden Schleifen den mit Sternen bestickten samtschwarzen Polarnachthimmel erleuchteten. Nur in Pullover und Hausschuhen konnten wir das Spektakel nicht länger als zehn Minuten genießen. Die Temperaturen um -20°C sind auch bei Windstille nicht sehr angenehm. Dass es mit großen Schritten auf Weihnachten zugeht, konnte man auch am Freitagabend merken. Als weiteres Adventsereignis hatte das Weihnachtskomitee zur Feuerzangenbowle geladen. Die Leser dieser Serie werden sich sicher daran erinnern, dass wir vor zwei Wochen sehnsüchtig auf Feuerzangen und Zuckerhüte warteten. Unsere Kollegen hatten unseren Wunsch erhört, und so fanden Konstanze und ich in unseren Nikolauspaketen je einen Zuckerhalter. Um für den ganzen Ort ausreichend viel Punsch anzubieten, brauchten wir natürlich einen großen Topf, sodass wir beide Feuerzangen mit Schraube, Unterlegscheiben und Flügelmutter verbinden mussten. Die Norweger, Chinesen, Japaner und Schweden, die im Moment gemeinsam mit uns im Ort sind, waren von unserem Feuerspektakel optisch und geschmacklich sehr angetan. Dazu gab es typisch norwegisches Festessen: Schweineschinken „am Stück“ und Milchreis, was erstaunlich harmonisch zu unserem Punsch passte. Dr. Jens Kube, Stationsleiter
Dr. Jens Kube, Stationsleiter
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