Landeshauptstadt: Schlaf, Kindlein schlaf
Jedes dritte Kind in Deutschland leidet unter Schlafstörungen – in Potsdam hilft ein Kinderschlaflabor
Stand:
Jedes dritte Kind in Deutschland leidet unter Schlafstörungen – in Potsdam hilft ein Kinderschlaflabor „Manchmal weiß ich gar nicht, wie ich ihn anschubsen soll“, erzählt Jans Mutter. Der Achtjährige sitzt auf ihrem Schoss und blickt verlegen im Arztzimmer umher. Noch weiß er nicht recht, was ihn erwartet. Im Schlaflabor der Klinik für Kinder und Jugendliche des Ernst von Bergmann Klinikums wird er die kommende Nacht verbringen. Denn Jan ist tagsüber fast immer müde und abgeschlagen. „Seine Lehrerin sagt, er halte die ganze Klasse auf, weil er so unheimlich langsam, träge und unkonzentriert ist“, erzählt Mutter Jana Kaiser. Das habe natürlich auch Auswirkungen auf seine schulischen Leistungen. Aufmerksam hört ihr Dr. Karsten Klementz, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, der seit 1998 das Kinderschlaflabor leitet, zu und stellt Fragen, um Jans Problem besser einordnen zu können. Die Kinderärztin des Jungen tippte auf Schlafstörungen. Sie hat ihn an das Schlaflabor überwiesen, um seinen Schlaf genauer untersuchen zu lassen. Klementz ist Spezialist in diesen Fragen. Seit einigen Monaten trägt er in seinem Titel den Zusatz Somnologe – ein bundesweit anerkannter Qualitätsnachweis für das Fachgebiet der Schlafmedizin, den die Deutsche Gesellschaft für Schlafmedizin ins Leben gerufen hat. In dieser Woche veranstaltet die Gesellschaft bundesweit eine Woche des Schlafes, um auf das Thema Schlafstörungen aufmerksam zu machen – denn jedes dritte Kind in Deutschland leidet unter einem gestörten Schlaf. „Wir behandeln hier Säuglinge, Kinder und Jugendliche in jedem Alter“, erläutert der Schlafmediziner. Seine kleinen Patienten haben neben Ein- und Durchschlafstörungen am häufigsten Atemregulationsstörungen im Schlaf, auch Schlafapnoe-Syndrom genannt. Dabei kommt es während des Schlafes immer wieder zu Atemaussetzern. Das heißt, das Kind atmet für einen kurzen Zeitraum nicht. Nach Klementz ist häufig das Schnarchen ein Indiz für Apnoen – griechisch: Windstille – im Schlaf. „Sieben Prozent aller Kinder schnarchen, davon haben etwa zwei Prozent Atemprobleme“, sagt Karsten Klementz. Auch bei Jan vermutet der Arzt ein Schlafapnoe-Syndrom. „Was die Mutter beschreibt, hört sich schon sehr danach an“, erklärt er. Jans Nase ist fast immer zu, in der Nacht atmet er durch den Mund, wälzt sich im Schlaf und hält den Kopf häufig übersteckt. Morgens hat die Mutter Probleme, ihn überhaupt aus dem Bett herauszubekommen. „Die angestrengte Atmung raubt den Kindern den erholsamen Schlaf. Denn auf jeden Atemaussetzer folgt eine Art Weckreaktion. Diese verhindert, dass das Kind in den erholsamen Tiefschlaf kommt. Deshalb sind die Kleinen am Tag oft sehr unkonzentriert und wirken schlapp“, so Klementz. Um aber genau wissen zu können, ob Jans Tagesmüdigkeit tatsächlich von einer Apnoe herrührt, muss Jans Schlafarchitektur, wie die Mediziner sagen, detailliert analysiert werden. Zwei Nächte wird Jan im Schlaflabor verbringen, um dem Arzt jede Menge Daten zu seinem Schlafverhalten zu liefern. Mit Hilfe von Sensoren an Kopf, Oberkörper, Armen und Beinen werden Hirnströme, Muskeltonus, Arm- und Beinbewegungen sowie Atemfluss und Sauerstoffstättigung im Blut gemessen. „Ich fühle mich ganz verklebt“, sagt Jan, nachdem Schwester Elke alle Messfühler an seinem Körper angebracht hat. Ob er wohl mit all dem „Kabelsalat“ schlafen wird? Karsten Klementz kennt das Problem: „Deshalb bleiben die Kinder oft zwei Nächte bei uns, denn sie müssen sich erst an die Situation gewöhnen.“ Am nächsten Morgen analysiert der Somnologe Jans Schlafdiagramm. Seine Auswertung ergibt 16 Atemaussetzer pro Stunde, bis zu zehn sind normal. „Bei Jan kann die Atembehinderung von einer Allergie herrühren, unser HNO-Arzt hat aber auch eine Kehlkopfenge durch Polypen festgestellt. Die operative Entfernung sollte deshalb schnell erfolgen.“ Vergrößerte Mandeln, Übergewicht oder häufige Entzündungen im Rachenraum bilden ebenfalls häufig die Ursache für Atemstörungen. „Ich kann nicht dafür garantieren, dass Jan dadurch den erholsamen Schlaf zurückbekommt. Der Schlaf ist ein sehr komplexes Gebiet der Medizin, aber die Chancen stehen auf alle Fälle gut für ihn“, meint Dr. Klementz.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: