Landeshauptstadt: Schlafen bei Schneewittchen
Zwölf „Zwerge“ übernachteten in Märchenland-Ausstellung im Filmmuseum
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Zwölf „Zwerge“ übernachteten in Märchenland-Ausstellung im Filmmuseum Innenstadt - Ein kleines Stubsnäschen presst sich gegen das weiße Sprossenfenster am Eingang des Filmmuseums. Die blauen Augen von Helena blicken ungeduldig in die Finsternis nach draußen: Ein Kind fehlt noch. „Wann geht’s endlich los“, fragt die Siebenjährige schließlich zaghaft ihre mit Schlaf- und Rucksack bepackte Mutter. Als ob die Eltern mit ihren Schützlingen nur auf dieses Kommando gewartet hätten, beginnt dann die ersehnte Reise in das Land der Märchen – auch ohne den Nachzügler. Für den gefährlichen Weg durch die fabelhafte Welt bekommen die zwölf Kinder einen blauen Glücksstein und die elterlichen Gefährten mit an die Hand. Helena verwahrt den Kristall sorgfältig in ihrer Tasche und zieht ihre Mutter mit in die schmutzige Küche von Aschenbrödel hinein. Auf dem verrußten Boden vor dem Ofen sind allerlei Körner verteilt, Tauben picken gegen die Fensterscheibe. „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ ist Helenas Lieblingsmärchen. „Weil das Mädchen so schön ist“, sagt sie verlegen. Auch Helena hat sich für die Fabelwesen schön gemacht. Bereits am Nachmittag ist sie vor ihrem Kleiderschrank darüber ins Grübeln gekommen, was sie anziehen könnte. Mit einem rosafarbenen Umhang mit funkelnden Steinen hat sie sich als Prinzessin verkleidet – als Aschenbrödel, aber erst nach der Verwandlung für den Ball des Prinzen. Nach dem Schlendern durch die zauberhafte Welt von Rotkäppchen, Schneewittchen, dem kleinen Muck und König Drosselbart beginnt die gefährliche Etappe des Abenteuers. Helena ist mutig und läuft schnell über die kleine Brücke, die über den reißenden Fluss führt. Ein riesiger Fischschlund wartet auf die zögernden Kinder. Auf der gegenüberliegenden Uferseite liegt schon eine neue Herausforderung: der düstere Nebelwald. Die Bäume haben tiefen Furchen, die wie gespenstische Gesichter aussehen. Mit unsicheren Schritten gelangt Helena durch die Finsternis. Die Anstrengung hat sich gelohnt. Auf die kindlichen Helden wartet ein paradiesisches Festmahl im goldenen Kronensaal. Zuvor werden die Eltern von ihren Kindern schnell verabschiedet, keine einzige Abschiedsträne wird vergossen. Helena gibt ihrer Mutter einen flüchtigen Abschiedskuss. Nach diesen überstandenen Gefahren hat sie keine Angst mehr vor der Übernachtung im Land der Märchen. Zu guter Letzt sollte für einen nächtlichen Gruß vor dem Schlafengehen das Sandmännchen zu den Kindern kommen. Auf den haben die Mitarbeiter des Filmmuseums dann doch verzichtet. Denn manche der Sieben- bis Elfjährigen seien „dafür schon zu groß“, sagt Marketingchefin Christine Handke. Auch ohne Traumsand sind die Besucher und die Veranstalter begeistert: „Diese Übernachtung im Märchenland ist ein Höhepunkt während unserer Ausstellung“, so Handke. Sieben Kinder hatten bei einem Rätselspiel Karten für die Märchennacht am Sonnabend gewonnen, die übrigen fünf hatten sie gekauft. „Aufgrund der großen Resonanz überlegen wir, die Veranstaltung zu wiederholen“, sagt Handke. Angela Gencarelli Die Ausstellung „Märchenland“ im Filmmuseum kann bis April 2006 besucht werden.
Angela Gencarelli
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