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HEYES Woche: „Schlag“- seiten

Die Kriminalitätsrate sinkt bundesweit um zwei Prozent: Erstmals weniger als sechs Millionen Delikte. Na prima.

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Die Kriminalitätsrate sinkt bundesweit um zwei Prozent: Erstmals weniger als sechs Millionen Delikte. Na prima. Auch die Jugendkriminalität nimmt ab – noch eine gute Nachricht. Allerdings – und das vergangene Wochenende hat es noch einmal gezeigt – hat die Berliner Polizei die Erfahrung erneuern müssen, dass die neuen Nazis, die sich Junge Nationalisten nennen, keinen Respekt vor der Staatsmacht kennen. Einerseits also weniger Jugendkriminalität, aber auf der anderen Seite eine wachsende, öffentlich sichtbare Aggressivität, und die nicht nur am rechten Rand. Woher kommt das? Vermutlich ist es nicht auf einen Nenner zu bringen. Auch die soziale Schieflage in der Nation spielt da mit hinein.

Die allermeisten Eltern wollen ihren Kindern so viel wie möglich mitgeben, vor allem an Bildung, die ihnen eine sichere Existenz ermöglichen soll. Gewiss, Bildung ist nicht alles, aber ohne Bildung ist alles andere nichts; das wissen mittlerweile alle. Nur das umfasst ja wohl mehr als den Schnelldurchlauf durch den gymnasialen Bereich, der in sieben Jahren beendet werden kann. Dies hat sich in fast allen Bundesländern durchgesetzt, allerdings war dabei versäumt worden, die Lehrpläne zu „entrümpeln“. Um in der Schule mitzukommen, so besagt eine Statistik, braucht jeder zweite Gymnasiast Nachhilfe, und diese Branche boomt wie keine andere. Die Eltern wenden mittlerweile Milliarden Euro auf, um ihre Sprösslinge durch den Schulalltag zu bringen. Die 40-Stunden-Woche für pubertierende Jugendliche ist keine Ausnahme. Und wenn manche erstaunten Eltern Sohn oder Tochter schon bei kleinsten Anlässen aus der Haut fahren sehen und der Tag in Geschrei und Tränen endet, sollten sie mal nachfragen, wie viel Bewegung und Zeit für Stressabbau für Spiel und Sport und Spaß den büffelnden Schülern noch gewährt wird. Zumal Sportunterricht oder musische Erziehung in vielen Schulen gegen Null gehen. Soziale Kompetenz zu erlernen, dafür bleibt wenig Zeit.

Es merkt fast niemand: Einer wachsenden Zahl von Kindern wird ihre Kindheit einfach gestohlen. Viel zu wenig wird öffentlich darüber nachgedacht, welchen Anteil hochfahrender Elternehrgeiz und ein vor allem auf Leistung und Effizienz ausgerichtetes Schulsystem dazu beitragen. Früh in ein Korsett gepresst, sind auf Schulhöfen und im Internet Gewaltausbrüche zu beobachten, die zu großen und kleinen Dramen führen. Auf U-Bahnhöfen oder dem Schulhof – auch hier bei uns – entlädt sich ein Frust, der nicht angeboren ist. Um dem beizukommen, braucht es mehr als den Ruf nach Zivilcourage.

Uwe-Karsten Heye schreibt an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor war Redenschreiber bei Willy Brandt und Regierungssprecher von Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder. Heute lebt Heye mit seiner Familie in Babelsberg und arbeitet dort als Autor und Publizist.

Uwe-Karsten Heye

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