Links und rechts der Langen Brücke: Schlecht vorbereitet
Michael Erbach fordert die bestmögliche Lösung für die Unterbringung von Asylbewerbern - aber nicht über deren Köpfe hinweg
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Mehr als 160 Flüchtlinge haben derzeit Zuflucht im Asylbewerberheim am Lerchensteig gefunden. Fern der Heimat, oft traumatisiert, aber froh, Verfolgung, Krieg und Terror entkommen zu sein. Im Sommer sollen sie in einen Plattenbau im Wohngebiet Am Schlaatz umziehen. In den Stadtteil mit dem höchsten Ausländeranteil, den größten sozialen Problemen – aber auch sehr erfolgreichen Ansätzen bei der Integration ausländischer Mitbürger, einer guten Infrastruktur und – im Gegensatz zum Lerchensteig – der Einbindung in urbanes Leben. Ja, es war eine politische Entscheidung, das Asylbewerberheim in die Stadt zu verlegen. Die Wege sollen kurz sein bei der Integration der Flüchtlinge in ein für sie fremdes Leben. Dabei hat sich Potsdam mit seiner Asylpolitik bereits einen guten Ruf erworben. Entgegen den Vorgaben der Landespolitik werden in Potsdam Asylbewerbern zielstrebig städtische Wohnungen zugeteilt – wenn es der Stand ihrer Integration erlaubt. Bis dahin leben die Flüchtlinge richtigerweise im Asylbewerberheim. Der jetzt gewählte neue Standort bietet eindeutig bessere Voraussetzungen dafür, die Asylbewerber bei der Integration zu unterstützen: Sie kommen weg vom Rand, hinein in die Stadt. Doch Vorbehalte wurden bereits geäußert, zum Beispiel von der Wohnungsgenossenschaft PBG, die Schwierigkeiten bei der Vermietung von Wohnungen sieht und mit einer Überprüfung von Investitionsentscheidungen droht. Am Montag sind die Bewohner vom Schlaatz aufgerufen, sich auf einer Einwohnerversammlung zum geplanten Umzug der Asylbewerber in ihren Stadtteil zu äußern. Doch die Veranstaltung hätte besser vorbereitet sein müssen. Denn wie sich jetzt herausstellt, sind wichtige Fragen ungeklärt. So stellt sich die Raumaufteilung im künftigen Heim als sehr problematisch dar. Schlimmer noch: Die Flüchtlinge selbst wurden bislang nicht einmal befragt, ob sie überhaupt umziehen möchten. Kein organisierter Besuch von Vertretern der Flüchtlinge in der künftigen Unterkunft. Kein Spaziergang durch das Wohngebiet. Keine Information über das Integrationsangebot im Schlaatz. So kann es passieren, dass am Montag Politiker auch aus Gründen der politischen Sauberkeit tapfer einen Standort verteidigen, der von den Betroffenen möglicherweise mehrheitlich gar nicht erwünscht ist. Im Lerchensteig hätte die Überzeugungsarbeit zuerst erfolgen müssen. Mit der Rückendeckung von dort, dem Willen zur Veränderung ließe es sich besser argumentieren – und mit Menschen vom Lerchensteig, die auf dieser Versammlung den ersten Schritt in ein neues Leben machen.
Michael Erbach
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