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Das Pfarrhaus Alexandrowka Nr. 14 im Welterbe-Areal von Kapellenberg und russischer Kolonie.

© A. Klaer

ALEXANDROWKA: „Schlimmer geht es nicht mehr“

Stadt beharrt auf Miete für das russisch-orthodoxe Pfarrhaus nach Außensanierung mit Bundesmitteln

Stand:

Nauener Vorstadt - Entgegen bisherigen Aussagen der Potsdamer Stadtverwaltung beharrt die Landeshauptstadt offenbar doch auf Mietzahlungen seitens der russisch-orthodoxen Kirche für das Pfarrhaus Alexandrowka Nummer 14, bekannt auch als „Teehaus“ auf dem Kapellenberg. Wie berichtet, wird die Außenhülle des historischen Hauses, Teil der russischen Kolonie Alexandrowka, mit den Welterbe-Millionen aus dem Konjunkturpaket I saniert. 440 000 Euro werden dafür von der öffentlichen Hand aufgebracht.

Offenbar fährt die Stadt bei Vorgehen in Sachen Alexandrowka 14 eine Doppelstrategie. Noch vor zwei Wochen veröffentlichte sie eine Stellungnahme, wonach sie eine Einigung mit dem russisch-orthodoxen Erzpriester Anatolij Koljada suche. Ein Gespräch am Dienstag dieser Woche mit Wolfgang Hadlich, Büroleiter des Oberbürgermeisters Jann Jakobs (SPD), und Justiziarin Karin Krusemark sei jedoch mit Rücksicht auf die Gesundheit Koljadas abgebrochen worden, berichtete gestern sein Sohn, Gemeindesekretär Sergej Koljada, den PNN. Stadtsprecherin Regina Thielemann bestätigte gestern, dass Priester Koljada das Gespräch vorzeitig beendete.

Sergej Koljada zufolge habe Hadlich in dem Gespräch eindringlich darauf bestanden, dass die Stadt – Eigentümer der Alexandrowka Nr. 14 ist der Kommunale Immobilien Service (KIS) – nach der Außensanierung Geld von der Gemeinde haben will. Entweder zahle sie eine Miete von 2000 Euro pro Monat oder sie kaufe das Haus für 500 000 Euro auf Basis einer Erbbaupacht. Koljada junior zufolge lebt der Priester – in Potsdam ansässig seit 1986 – seit 2001 mietfrei in dem Haus, da es von der Innenausstattung her als de fakto unbewohnbar gelte. Die nun ausstehende Mietforderung sei unverständlich, da die nun vorgesehene Außensanierung an der Situation nichts ändern werde. Die Gemeinde werde die genannte Miete nicht aufbringen können; sie bestehe zu 90 Prozent aus mittellosen russischen Einwanderern. Vom Land Brandenburg erhalte sie lediglich eine jährliche Förderung von 8900 Euro. Sollte die Stadt die Forderung aufrecht erhalten, müsse die russisch-orthodoxe Kirche das Pfarrhaus aufgeben. Seit 1826, seit dem Bau der Kolonie Alexandrowka, ist die Nr. 14 unmittelbar neben der Alexander-Newski-Kirche ununterbrochen als Pfarrstelle und Priesterwohnung genutzt worden.

Schon vor dem gescheiterten Gespräch zwischen Stadt und Gemeinde am Dienstag war OB-Büroleiter Wolfgang Hadlich mit den Worten zitiert worden: „Wir sind nicht dafür zuständig, dass die Gemeinde ein entsprechendes Auskommen hat.“ Hadlich war gestern für die PNN nicht zu sprechen. Die Strategie der Stadt erläuterte Stadtsprecherin Thielemann gestern so: Die Stadt habe lediglich versucht, „das Feld abzustecken“ und zu erkunden, „was möglich ist“. Freilich, „Prämisse“ der Stadt Potsdam bleibe es, dass das Haus „keiner anderen Nutzung“ zugeführt werde. Die Gespräche seien „nicht abgeschlossen“, alles sei „im Fluss“.

Wie Sergej Koljada erklärte, befinde sich die Gemeinde „in einer schlimmen Situation, schlimmer geht es nicht mehr“. Demonstrationen gegen die Mietforderung seien in Vorbereitung.

Das weltweit einzig erhaltene russische Kunstdorf Alexandrowka wurde 1826 bis 1827 auf Wunsch des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. als Unterkunft für die russischen Sänger des preußischen Garderegiments errichtet. Nach der Konvention von Tauroggen verbündeten sich 1813 Preußen und Russland gegen Napoleon. Der Name Alexandrowka ist eine Ehrung für den 1825 verstorbenen Zaren Alexander I.; die Kolonie selbst Ausdruck der preußisch-russischen Freundschaft. Auf dem nahen Kapellenberg wurde die russisch-orthodoxe Alexander-Newski-Gedächtniskirche 1829 geweiht. Das Pfarrhaus Nr. 14 trägt den Beinamen „Teehaus“, da König Friedrich Wilhelm III. im Obergeschoss Mußestunden am russischen Tee-Samowar suchte. gb

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