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Landeshauptstadt: Schluss mit Weggeh-Gejammer

Viele junge Leute finden, dass in Potsdam immer weniger los ist: Fünf unverbrauchte Veranstalter zeigen, dass es anders geht

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Nichts los in „Potse-City“. Das sagen viele junge Leute in diesen Tagen. Gerade nach dem Wegfall des Spartacus-Clubs – und weil manche Kultur-Häuser schon zu etabliert wirken. Doch gibt es Hoffnungsschimmer: potsdambinich stellt fünf ganz verschiedene und unverbrauchte Party- Veranstalter vor, die sich in verschiedenen Orten einmieten, um das Potsdamer Nachtleben zu beleben.

Tumult e.V.: Rocken ohne Ende

Florian Kraatz hat genug: „Um es sanft auszudrücken – der Blick in den Veranstaltungskalender nervt oft.“ Für seine Einschätzung sieht der 27-jährige Potsdamer gute Gründe, wie der eingefleischte Rock-Punk-Fan erklärt: „Entweder es ist nichts los oder viele coole Veranstaltungen fallen auf ein Wochenende.“ Weil das so ist, haben der 27-Jährige und elf seiner Freunde den Verein Tumult e.V. gegründet, mit dem sie nun selbst aktiv werden. In diesem Monat hatten sie Premiere: Vor knapp zwei Wochen spielten mit Fistfits und Widowmaker zwei röhrende Rock“n“Roll-Bands aus der Region im Club Charlotte in der Charlottenstraße.

So soll es weitergehen. „Wir stehen für ein glaubwürdiges Konzept von cooler Mucke für einen schmalen Taler“, sagt Florian. Pro Party sollen mindestens zwei Bands für fünf Euro Eintritt spielen, dazu eine DJane. Als Musik wird Punk, Rock, Metal und Hardcore gespielt. „Eine der Bands soll im besten Fall aus Potsdam sein“, sagt Florian. Ziel sei es, zumindest bis zum Ende des Jahres rund ein Konzert pro Monat zu veranstalten: „Dann sehen wir weiter.“ Die nächste Sause steht schon fest: Für den 14. Juni sind die Dirty White Socks aus Kleinmachnow eingeladen – und Bomb Texas, nach eigenen Angaben „Schurkenrock“ aus Berlin.

www.tumult-potsdam.de

nutempo – Intelligent elektronisch

Um genug Gäste macht sich Lena Mauer keine Sorgen: „Es gibt eine erstaunliche Nachfrage in dieser Stadt nach subkulturellen Ausgeh- und Musikangeboten, quer durch alle Alter.“ Sie ist eine der Veranstalterinnen bei „nutempo“, eine offene Künstlerplattform, die seit einem Jahr in angesagten Potsdamer Clubs ihre Konzerte und Parties veranstaltet.

Zwei Reihen haben sich dabei laut der 28-jährigen Potsdamerin bisher etabliert: nutempo Concerto, wo bisher schon Künstler wie der Remixer Seidemann auftraten. Das zweite Standbein hört auf den Namen Beatknee. „Der Tanz durch die Nacht mit Nujazz, elektronischen Sounds und so“, fasst Lena zusammen. Der Klang ist speziell: Elektrojazz mit Trompete lässt sich beispielsweise sonst kaum hören. Auch vieles Andere unter dem Label „nutempo“ kling experi tief in der elektronischen Musik verwoben. Das ist nicht die einzige Besonderheit: „Wir wollen ein Ambiente kreieren, das mehr an Wohnzimmerparty als an Dance-Großevent erinnert“, sagt Lena. Die Veranstaltungen von nutempo finden noch unregelmäßig statt, oft auch in kleinen Sälen, promotet über Mundpropaganda und Internet. Der Eintritt war – zumindest bei Beatknee und Concerto – jeweils frei. Die nächste Party ist da ein wenig anders: Zusammen mit „club cøbenhavn“ planen „nutempo“ am 31. Mai einen Abend mit internationalen DJs in der „fabrik“. Die Ankündigung liest sich für „nutempo“ typisch: „Elektronisches Geknittere und Geknuspere, hier und da ein wenig französische Melancholie gegen den kalten skandinavischen Wind.“

www.nutempo.de

DJ Herb: Heavy Metal, alte Schule

Er ist zurückgekehrt – wenn auch eine Hauswand weiter. „Heavy Metal mit Herbert – wie früher im Quartier“ heißt eine neue monatliche Veranstaltungsreihe im Club Charlotte in der Charlottenstraße. An jedem ersten Samstag im Monat wird dort nun Metal in seiner klassischen Form gespielt, von Kiss bis Iron Maiden. Aber auch härtere Sachen, Death Metal, Black Metal.... „Ich möchte damit wieder einen Treffpunkt für die Metal-Gemeinde einrichten, wo man sich seiner Leidenschaft zur lauten und harten Musik voll und ganz hingeben kann“, sagt DJ Herb, geschätzt Ende 30. Er hat das schon einmal gemacht und mehrere Jahre den Quartier-Club nebenan bespielt, bis der geschlossen wurde.

Plötzlich hing Herbert in der Luft. „Es gibt einfach zu wenig kleine Läden, die solche Musik anbieten wollen und können“, sagt er. Und lässt sich aus über langweilige Diskos, „wo man sich date-suchend am Alkopop festhält, Auffanggruben des Singledaseins, wo es egal ist, welche Musik läuft.“ DJ Herb ist das nicht egal. Umso froher ist er nun im Club Charlotte: „Ich habe das Gefühl angekommen zu sein.“ Das Ziel für die nächsten Monate steht damit fest – und bange ist es ihm in Potsdam mit seinem Konzept nicht: „Metal- und Rockfans sind eben Menschen, die Geduld haben, bis endlich wieder eine Veranstaltung startet, die ihre Musik bedient - dann rotten sie sich zusammen, schütteln ihre Haare und schmelzen dahin.“

www.koschuweit.de

kollektiv.analog – Ungewöhnlich

Christoph und Dirk mögen ungewöhnliche Namen. The Antikaroshi heißt die Band der beiden Potsdamer. „Das ist der Name eines ungewollten Songs, der trotzdem gemacht werden musste“, sagen die beiden Typen, geschätztes Alter Mitte 30. Doch spielen Christoph und Dirk nicht nur mit Begriffen. Die zwei Künstler organisieren selbst Konzerte in ihrer Heimatstadt - unter dem Logo „kollektiv.analog“. Das nächste Konzert findet am kommenden Samstag, den 24. Mai, ab 21.30 Uhr in der „fabrik“ statt.

Wie in ihrer Antikaroshi-Band – eine Mixtur aus jazzig-progressivem Punk – dürfte auch die Musik in der „fabrik“ schräge Töne besitzen: Mit Monotekktoni haben „kollektiv.analog“ das Soloprojekt der 29-jährigen Berlinerin Tonia Reeh eingeladen und versprechen elektronische Klänge, bezauberndernd und verstörend zugleich. „Sie ist ein Chamäleon, trotz der Elektronik rockt ihre Musik ohne Ende“, sagt Dirk. Damit ist Monotekktoni ein typisch dafür, nach welchem Prinzip das Kollektiv seine Konzerte organisiert: „Die Bandauswahl ist egoistisch“, sagt Christoph. Experimentell soll die Musik sein, nicht eingängig.

2001 haben „kollektiv.analog“ angefangen und sind seitdem durch die kleineren Locations der Stadt gezogen. „Wir hatten damals sehr viel Spaß mit unserer Band und wollten von dieser Freude etwas zurückgeben“, sagt Dirk über die Motivation der frühen Tage. Inzwischen seien die Konzerte einfach „just for fun“, ohne Druck, möglichst ohne Minus in den Kassen. Mehr als ein Konzert im Monat ist daher selten, auch weil die Macher zum Teil bereits Familie haben. Doch ohne laute Musik können sie sich ihr Leben nicht vorstellen. Christoph: „Da sind wir Nerds, ohne Konzerte geht es nicht.“

www.kollektivanalog.de

electric dress: Frauenpower

Sie sind auf Suchpause. Die Initiative „electric dress“ gehört zu den Gruppen, die nach dem Ende des Spartacus ein neues Dach für ihre Veranstaltungen suchen müssen. Dabei ist ihr Ansatz einzigartig in Potsdam. Sie wollen Frauen ins Tanz-Geschäft bringen, ihnen die Kniffe des DJ-Business beibringen. „Frauen, die Mischpulte oder Soundanlagen bedienen, sind durch anerlernte Rollenbilder immer noch mehr die Ausnahme“, sagt Susanne, eine der vier Gründerinnen. Um das zu ändern, gab es schon einen mehrmonatigen Workshop mit bis zu 40 Teilnehmerinnen. Diese organisierten auch die „electric dress“-Veranstaltungen, die jede Musik beinhalten können – das gelernte Wissen sollte direkt erprobt werden. So soll es wieder werden, wenn ein neuer Ort gefunden ist, sagt Susanne. Außerdem sei für Herbst ein Festival geplant. „Bis dahin ist eine Atempause notwendig.“

www.dresselectric.de

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