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Homepage: Schnappschüsse aus der Nanowelt

Matias Bargheer erforscht den Laserbeschuss von Molekülen und Atomen

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Ultraschnell tanzen die Atome in dem Röntgenfilmstudio, das der Physiker Matias Bargheer im Keller der Universität Potsdam aufgebaut hat. Von dort ist Bargheer gerade heraufgeeilt. Nun projiziert er im Hörsaal für seine Antrittsvorlesung als messfrisches Ergebnis ein Gitternetz aus Punkten und Linien an die Leinwand.

Im April 2009 hatte die Universität Potsdam den bisherigen Juniorprofessor regulär zum Professor berufen. Damit sicherte sie sich das Fachwissen und die wissenschaftliche Neugier des Physikers, um den sich auch andere Universitäten bemühten. Bereits 2006 hatte Bargheer für seine Forschung zur Erzeugung und Anwendung von harten Röntgenstrahlen den Gustav-Hertz-Preis erhalten. Es ging bei der Preisverleihung um Grenzbereiche des Sichtbaren, die den Forscher auch heute noch interessieren. „Wir können fotografieren, wie der berühmte Apfel auf dem Kopf des Sohnes von Wilhelm Tell zerplatzt, aber weiter geht die optische Fotografie nicht“, erklärt Bargheer. Das Bild einer Kugel, die durch einen knallroten Apfel schießt, ist ein beliebtes Postermotiv. Das menschliche Auge kann den fotografierten Moment nicht mehr wahrnehmen.

Zur Geschwindigkeit des Pistolenschusses mit der Frucht verhalten sich die Lasersekunden, mit denen Bargheer operiert, wie der Papierflieger zur Überschallrakete. Eine Femtolasersekunde ist erheblich kürzer als eine Millisekunde, und schon die ist nur den tausenden Bruchteil einer Sekunde lang. Wenn Matias Bargheer mit einem starken Laser den extrem kurzen Impuls erzeugt, bewegt er sich zwischen Optik und Röntgenphysik. Hierfür bedient er eine komplizierte Apparatur mit zahlreichen Spiegeln und Linsen. Damit möchte er Bilder von pulsierenden und verschmelzenden Atomen und Molekülen sichtbar machen.

„Warum bewegt sich der Kern“, will Bargheer wissen. Nach dem Beschuss mit der Laserstrahlung fangen die Elektronen der Nanostruktur des Metalls an zu schwingen: Bargheer meint den Atomkern. Wie genau dann der „Tanz der Atome“ aussieht, versucht Bargheer mit der Femtosekunden-Röntgenbeugung zu „filmen“. Damit kann die strukturelle Veränderung des bestrahlten Materials auf atomarer Längen- und Zeitskala exakt vermessen werden.

Denn während in vielen physikalischen Systemen von Molekülen der Gleichgewichtszustand im Wesentlichen bekannt ist, zerbrechen sich Forscher wie Bargheer den Kopf über die Art und Weise, wie sich Nanostrukturen im Detail verändern. Ultrakurze Röntgenblitze schießen aus dem Laser auf winzige Teilchen, die in Gold und in anderen Metallen eingefasst sind. Es entstehen Schnappschüsse der ultraschnellen Atombewegungen mit einer Belichtungszeit von etwa einer 0,1 Pikosekunde. Noch kleinere Messeinheiten, also Femto- und Attosekunden sollen folgen.

Was sich zunächst nach mikroskopischer Bastelarbeit im universitätseigenen Kellergeschoss anhört, ist Grundlagenforschung und hat erhebliche praktische Auswirkungen. „Keine Grate, keine Rückstände, alles fugenlos verschweißt“, so fasst Thomas Knoll, Pressesprecher beim Technologieunternehmen Bosch, die Vorteile der Lasertechnik zusammen. Metalloberflächen könnten damit unmittelbar verändert werden, ohne dass das Material zunächst geschmelzt werden müsse. Das sei für die Herstellung von Messteilchen in Katalysatoren ebenso wichtig wie bei Dieselinjektoren im Automotor, die einen hohen Druck aushalten müssten. Auch die Medizintechnik und Solarhersteller setzen mittlerweile Laser in großem Umfang zur Herstellung ein. Die chirurgischen Instrumente werden dadurch kleiner und genauer, Solarzellen werden kostengünstiger und bekommen einen höheren Wirkungsgrad.

Bargheer vermutet, dass seine Forschung auch helfen wird, die Speicherkapazität von Sticks und anderer Computerelektronik zu erhöhen. Hierfür wird er weiter Bildsequenzen atomarer Bewegungen und Moleküle filmen. Der Unterhaltungswert der rasend schnellen Teilchen wird sich aber wohl weiterhin nur der eingeweihten Physikergemeinde erschließen. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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