Aus dem GERICHTSSAAL: Schnee vom letzten Winter ... ... hatte jetzt ein gerichtliches Nachspiel
Die Sonne lässt die Temperatur im Gerichtssaal beinahe ins Unerträgliche steigen. Amtsrichter Stephan Heinrichs und die Protokollantin schwitzen in ihren Roben.
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Die Sonne lässt die Temperatur im Gerichtssaal beinahe ins Unerträgliche steigen. Amtsrichter Stephan Heinrichs und die Protokollantin schwitzen in ihren Roben. Da sorgt eine Bußgeldverhandlung – wenigstens in Gedanken – für ein wenig Abkühlung. Es geht um Schnee vom letzten Winter.
Petra P.* (44) wurde am 5. Januar 2006 von einer Mitarbeiterin des Ordnungsamtes beim mangelhaften Räumen und Streuen erwischt. Ihr Grundstück in der Seestraße grenzt an den Mühlenweg. Dieser soll an jenem Vormittag so glatt gewesen sein, dass Passanten Gefahr liefen, sich die Beine zu brechen. Petra P. erhielt einen Bußgeldbescheid über 25 Euro, legte dagegen Einspruch ein. Es ist nicht die Summe, die die Potsdamerin ärgert. Ihr geht es ums Prinzip, stellt sie während des daraufhin anberaumten Prozesses klar.
„Wir zahlen Gebühren für die Winterdiensträumung an die Stadt. Aber die macht sich das einfach und delegiert alles an die Anwohner“, beklagt sich Petra P. „Der Mühlenweg ist völlig unbefestigt. Wenn man da mit dem Schneeschieber rangeht, hinterlässt man unweigerlich Dellen und Rillen. Wir streuen ja den Gehweg mit Granulat, aber für die Fahrbahn fühlen wir uns nicht zuständig. Der gegenüberliegende Anwohner tut übrigens gar nichts. Und der muss nicht zahlen.“
„Am Tag meiner Kontrolle war der Gehweg definitiv nicht abgestumpft“, kontert die Stadtverwaltungsangestellte Marion M.* im Zeugenstand und legt dem Gericht eine Reihe von Beweisfotos vor. „Sehen Sie selbst, alles war vereist.“ Laut Straßenreinigungssatzung des Landes Brandenburg sind die Anwohner verpflichtet, einen eineinhalb Meter breiten Streifen vom Schnee zu räumen, erläutert sie. „Es hätte mir ja schon gereicht, wenn dieser Bereich wenigstens gestreut gewesen wäre.“
„Wir verwenden weißes Granulat. Das kann man auf den Bildern überhaupt nicht sehen“, begehrt Petra P. auf. Die Ordnungsamts-Angestellte verweist im Gegenzug auf die eigens von ihr durchgeführte Rutschprobe, beruhigt die aufgebrachte Anwohnerin sodann: „Auch ihr Nachbar hat Post von uns bekommen.“
„Selbst wenn Ihr Gegenüber nicht räumt, ist das noch lange kein Grund“, dass Sie das Gleiche tun“, rügt der Vorsitzende. „Die Streupflicht macht schon Sinn. Bei Glatteis sind ältere Menschen praktisch von der Außenwelt abgeschnitten. Die können sich dann nur noch vom Pizza-Service beliefern lassen.“ Dann regt er an, Petra P. möge den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zurücknehmen. „Die Ihnen auferlegten 25 Euro sind schon eine denkbar niedrige Sanktion.“
Die säumige Schneeräumerin berät sich mit ihrem Anwalt, stimmt dem Vorschlag des Gerichts schließlich zu.Hoga
(*Namen von der Redaktion geändert)
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