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"Polareis schwindet auch in der Antarktis rapide"

© Ian Joughin/dapd

Homepage: Schneefall lässt Antarktiseis schmelzen

Potsdamer Klimaforscher: Abgleiten ins Meer wird durch Niederschlag beschleunigt

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Der durch den Klimawandel verstärkte Schneefall über der Antarktis bremst den dortigen Eisverlust schwächer als bislang gedacht. Von dem durch den Schnee neu gebildeten Eis gehen ein bis zwei Drittel verloren, weil das tief liegende Eis sich durch den Niederschlag bis zu dreimal schneller Richtung Meer bewegt. Das berichten Klimaforscher vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) im Wissenschaftsjournal „Nature“ (doi:10.1038/nature11616).
„Das Einzige, was wir sicher über die Antarktis unter globaler Erwärmung wissen, ist, dass der Schneefall über dem Eisschild zunehmen wird“, erklärt Leitautorin Ricarda Winkelmann vom PIK. Klimaforscher hofften daher, dass dieser Effekt den deutlichen Eisverlust ausgleichen könnte, der seit zwei Jahrzehnten in der Antarktis gemessen wird. „Die Oberfläche des Eisschildes würde wohl sogar im Falle starker globaler Erwärmung nur wenig abschmelzen, weil es in der Antarktis auch dann noch sehr kalt wäre“, erklärt Winkelmann. Die entscheidende Frage laute daher: Wie viel Eis wird sich im Eispanzer der Antarktis zäh und unaufhaltsam an deren Rand bewegen, dort abbrechen - und damit zum Anstieg des Meeresspiegels beitragen?
Einerseits nimmt ein vermehrter Schneefall in der Antarktis Wasser aus dem weltweiten Kreislauf heraus und bremst so den Anstieg des Meeresspiegels. Das legen mehrere Klimamodelle nahe. Andererseits hängt die Geschwindigkeit der Eiswanderung in Richtung Meer auch von der Menge des Schneefalls ab. Je mehr Schnee und Eis sich über der Antarktis auftürmen, desto größer ist der Druck. Der wiederum treibt das Eis in Richtung Küste, wo es schließlich abbricht.
„Zwischen 30 und 65 Prozent des Zuwachses an Eis durch das Mehr an Schneefall wird zunichtegemacht durch verstärkten Eisverlust an der Küste der Antarktis“, resümiert Winkelmann die Ergebnisse der ersten entsprechenden eisphysikalischen Computersimulationen. Demnach nimmt der Eisverlust der Antarktis durch den verstärkten Schneefall bis auf das Dreifache zu. „Dieser Effekt übertrifft sowohl die Wirkung der Erwärmung an der Eisoberfläche als auch die Folgen des Schmelzens an der Unterseite des an der Küste der Antarktis aufschwimmenden Eises“, sagt Winkelmann.
Hinzu kommen weitere Eisverlustmechanismen, so zum Beispiel der Effekt des Schmelzens an der Unterseite der Schelfe - des am Rande der Antarktis aufschwimmenden Eises. „Beobachtungsdaten zeigen, dass es derzeit in der Summe sogar einen absoluten Eisverlust gibt“, erklärt Winkelmann. Der beschleunigte Eisfluss durch Schneefall bilde nur eine Komponente dieses absoluten Eisverlustes - eine Komponente allerdings, die bislang unterschätzt worden sei, und die relevant groß sei. „In den von uns untersuchten Klimaszenarien ist dieser Effekt sogar größer als der des Schmelzens an der Unterseite der Schelfe oder der Effekt durch die Oberflächenerwärmung“, berichtet die Klimaforscherin.
„Wir wissen jetzt, dass der Schneefall in der Antarktis uns nicht vor dem Anstieg des Meeresspiegels retten wird“, sagt Koautor Anders Levermann, Forschungsbereichsleiter am PIK und einer der Leitautoren des Kapitels zum Meeresspiegel im nächsten Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC. „Der Meeresspiegel steigt - das ist Tatsache.“ Jetzt müssten wir verstehen, wie viel Zeit uns bleibe, um die Infrastruktur an unseren Küsten anzupassen. (dpa)

Björn Lohmann

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