Landeshauptstadt: Schnellbahn wird zur Schleichbahn
S-Bahn-Züge dürfen nur noch Tempo 80 fahren. Experten: Verspätungen nach Potsdam und Teltow
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Nach dem Streik bei der BVG stehen von heute an die Fahrgäste auf vielen Stecken der S-Bahn vor einer weiteren Belastungsprobe. In den nächsten Tagen wird sich zeigen, ob die S-Bahn zur Schleichbahn wird, wie es Experten vor allem bei Regen befürchten. Der größte Teil der Züge darf jetzt nur noch auf maximal 80 km/h beschleunigen. Verspätungen werden vor allem auf den Nord-Süd-Strecken sowie Richtung Potsdam erwartet. Ein S-Bahnsprecher wies diese Befürchtungen gestern zurück. Sollte es aber regelmäßige Verspätungen geben, werde der Fahrplan „angepasst“, sagte der Sprecher.
Die zulässige Höchstgeschwindigkeit der modernsten Züge (Baureihe 481) war bereits im vergangenen Jahr von 100 km/h auf 90 km/h reduziert worden. Grund ist ein Auffahrunfall am Bahnhof Südkreuz im November 2006, dessen Ursachen bis heute nicht eindeutig geklärt sind. Dort konnte der Triebwagenführer den Zug auf nassen und schmierigen Gleisen nicht rechtzeitig bremsen und prallte deshalb gegen ein Messfahrzeug.
Weil die S-Bahn möglichst wenig Züge einsetzen will, um Kosten zu sparen, ist der Fahrplan so gestrickt, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit oft ausgefahren werden muss. Auf den meisten Strecken bleibt nur ein Puffer von wenigen Minuten, um Verspätungen auszugleichen.
Problematisch sind vor allen die eingleisigen Streckenabschnitte wie in Richtung Potsdam und Teltow im Süden Berlins sowie Hennigsdorf, Oranienburg und Bernau im Norden. Verspätet sich die S-Bahn, gehen beim Umsteigen häufig Anschlüsse verloren, was zu längeren Wartezeiten führt.
Ausgerechnet auf den problematischen Nord-Süd-Strecken setzt die S-Bahn nur die Baureihe mit der Tempobegrenzung ein. Züge der Baureihe 480, die einst im Auftrag der BVG entwickelt worden waren, fahren nicht mehr durch den Tunnel. Dass diese Regel getroffen worden ist, nachdem zwei dieser Fahrzeuge auf dieser Strecke, unter anderem im Anhalter Bahnhof, ausgebrannt waren, habe nichts mit den Bränden zu tun, hatte die S-Bahn nach der Umstationierung dieser Züge versichert. Aber auch jetzt ist nicht daran gedacht, diese Bahnen wieder durch den Tunnel fahren zu lassen. Bei Regen wird die Verspätungsgefahr noch größer. Weil die Triebwagenführer bei nassen Schienen frühzeitiger bremsen müssen, um in Bahnhöfen an den vorgeschriebenen Stellen halten zu können, müssen sie anschließend die dadurch eingebüßte Zeit mit einer höheren Geschwindigkeit ausgleichen. Voll beschleunigen dürfen die Züge der Reihe 481 erst wieder nach einem geplanten Umbau. Modifiziert werde das Anti-Blockier-System, sagte ein Sprecher. Einen Termin für den Abschluss der Arbeiten gibt es noch nicht. Klaus Kurpjuweit
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