Aus dem GERICHTSSAAL: Schnelle Verfahren für Langfinger
Gericht: Kaufen wäre sehr viel billiger geworden
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Aus dem GERICHTSSAALGericht: Kaufen wäre sehr viel billiger geworden „Ick höre ein bisschen schlecht. Sie müssen schon lauter reden“, verkündet Horst H.* (63) zum Auftakt seines beschleunigten Verfahrens. Die Richterin gibt sich alle Mühe, dennoch gestaltet sich die Kommunikation mit dem Rentner schwierig. „Haben Sie kein Hörgerät“, fragt sie schließlich entnervt. „Doch aber damit kann ick ooch nischt verstehen“, entgegnet der Mann lakonisch. Nach vielen Rückfragen erfährt die Vorsitzende dann doch noch, wieso der ältere Herr am 28. Dezember 2004 nach Ansicht der Staatsanwaltschaft zum Dieb wurde. „Ick wollte mir bei Real lange Unterhosen kaufen, weil det jetzt so kalt geworden ist“, erzählt der frühere Kfz-Meister. Zuhause habe er festgestellt, die falsche Größe gewählt zu haben. „Die Dinger hätte ick mir dreimal um die Beene wickeln können.“ Also habe er die Ware umtauschen, sich zu diesem Zweck an der Kasse für Reklamationen anstellen wollen. Auf dem Weg dorthin sei ihm eine Lederweste zum Preis von 39 Euro aufgefallen. „Die habe ich anprobiert. Und sie passte auch“, erklärt der Potsdamer triumphierend. „Vor lauter Begeisterung haben Sie dann offensichtlich vergessen, die Ware zu bezahlen“, wirft der Staatsanwalt ein. Horst H. schüttelt entrüstet den Kopf. „Ick wollte die Weste nicht klauen. Da hing ja auch noch so ein Piepser dran.“ Während er mit nichtpassender Unterhose und dem Objekt seiner Begierde am Leib an der Reklamationskasse anstand, habe ihn ein Detektiv am Schlafittchen ergriffen. „Sie sind schon einmal beim Ladendiebstahl erwischt worden“, gibt die Vorsitzende zu bedenken. Dieses Verfahren sei gegen eine Geldbuße eingestellt worden, entgegnet der Rentner. „Die war für die Flutopfer in Dresden.“ Noch eine Verfahrenseinstellung käme nicht in Frage, befindet die Richterin. Da Horst H. die Tat bestreitet, könne allerdings auch kein Urteil im Schnellverfahren ergehen. Es gibt eine normale Hauptverhandlung. Zu dieser werden dann Zeugen geladen. Viel klarer ist die Sache bei Martin M.* (27). Der arbeitslose Estrichleger entwendete am 13. November vorigen Jahres bei Minimal eine Flasche Kräuterlikör für 4,99 Euro. „Ich wollte trinken, hatte aber kein Geld“, gesteht der Mann mit entwaffnender Ehrlichkeit. „Und wie oft hat das schon geklappt“, fragt der Staatsanwalt. „Eigentlich selten“, antwortet der Langfinger. In nur zehnminütiger Verhandlung wird er zu einer Geldstrafe von 300 Euro verurteilt. „Hätten Sie den Likör gekauft, wäre es wesentlich billiger für Sie geworden“, so die Richterin. gh
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