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Bewerbung kompakt. Man spricht, bis die Glocke läutet. Wenn es gut gelaufen ist, wird man zum ausführlichen Bewerbungsgespräch eingeladen.

© Andreas Klaer

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Beim Chef-Dating der Agentur für Arbeit in Potsdam ist keine Zeit für Floskeln. Innerhalb von zehn Minuten klären Hochschulabsolventen und zukünftige Arbeitgeber, ob die Chemie stimmt

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Am liebsten hätte Matthias Drechsler vor dem Blind Date ja etwas geschummelt und sich doch vorab über seine Bewerber informiert. Dass der Personaler bei dem Chef-Dating der Agentur für Arbeit in Potsdam am diesem Mittwoch gar keine Bewerbungsunterlagen seiner Gesprächspartner vorliegen hatte, war für ihn eine ungewohnte Situation. Das Chef-Dating hingegen kennt er schon. Kurz nach seinem Uni-Abschluss hat er selbst als Bewerber daran teilgenommen. Seinen derzeitigen Job hat er zwar nicht darüber bekommen, aber er gewann Sicherheit im Gespräch. Mittlerweile sucht Drechsler selbst für eine Unternehmensberatung die Bewerber aus.

Seit 2009 organisiert die Agentur für Arbeit Chef-Datings, bei dem sich Hochschulabsolventen zukünftigen Arbeitgebern in Zehn-Minuten-Gesprächen vorstellen können. Der klassische Bewerbungsablauf – zuerst die Unterlagen, dann das Gespräch – wird dabei umgedreht. Die Teilnehmer kommen zu einem der zehn weißen Tische im großräumigen Beratungsbereich der Agentur für Arbeit, man spricht, bis die Glocke läutet. Wenn es gut gelaufen ist, überreicht man dem Arbeitgeber die Bewerbungsmappe und bekommt eine Visitenkarte mit einer Einladung für ein ausführliches Vorstellungsgespräch. Fünf Minuten Pause, dann geht es zum nächsten Date. 30 Teilnehmer und zehn Arbeitgeber wie die Kanzlei Goldenstein & Partner und das Start-Up „flightright“ waren dieses Jahr dabei. 2011 erhielten vier von 26 Teilnehmern durch das Chef-Dating einen Arbeitsvertrag. Die Veranstaltung ist offen für alle Hochschulabsolventen, man muss nicht bei der Agentur für Arbeit gemeldet sein.

Für eine 28-Jährige, die erst im April ihr Betriebswirtschaftsstudium in Potsdam abgeschlossen hat, war das Date das erste Bewerbungsgespräch überhaupt. Das persönliche Gespräch fand sie angenehm, die Stellenbeschreibung hat von der Ausrichtung für sie doch nicht gepasst. Das nächste Mal möchte sie sich noch genauer überlegen, was sie in einem Unternehmen eigentlich genau machen will. Das Format eignet sich vor allem für Bewerber, die frisch von der Uni kommen und noch nicht viel in ihrem Lebenslauf stehen haben, erklärt Claudia Tennikait-Handschuh vom Hochschulteam der Agentur für Arbeit. Auch wo die Noten schlechter ausgefallen sind, hilft es, zuerst durch den persönlichen Eindruck zu punkten. Dem einen oder anderen Bewerber hat das Hochschulteam vorab am Telefon noch Tipps gegeben oder bei der Verabschiedung zugeflüstert, dass ein neues Bewerbungsfoto ratsam wäre.

Man verschanze sich weniger hinter Floskeln und komme direkt zum Punkt, resümiert Geschäftsführer Uwe Ihlefeldt aus Stahnsdorf die Veranstaltung. Wenn man nur zehn Minuten hat, um sich vorzustellen, muss man genau wissen, was man sagen will, das meint auch die Geisteswissenschaftlerin Doreen. Zur Vorbereitung auf das Date habe sie ihr Leben nach privaten und beruflichen Krisen und Erfolgen in Schubladen sortiert. 60 Bewerbungen hat die 32-Jährige seit ihrem Abschluss vor einem Jahr schon geschrieben und wurde bis jetzt zu keinem Vorstellungsgespräch eingeladen. Ihr Date für eine Stelle im Online-Marketing sei gut verlaufen, am Ende habe sie noch schnell ihre Gehaltswünsche genannt, nächste Woche wolle man telefonieren.

Aber auch Absagen werden im direkten Kontakt leichter genommen. „Ich wünschte, es wäre immer so“, sagt ein Jurist von der Humboldt-Universität mit grauen Schläfen und Schultertasche. Eine Mappe konnte er anbringen, bei seinem zweiten Date hat es nicht geklappt. „Bewerbungen kosten viel Zeit“, sagt er, hier wisse man wenigstens gleich, ob die Chemie stimme.

Langes Warten auf eine Antwort und dann keine Begründung für die Absage, das kennt auch die 34-jährige Sandy. Auf manche Bewerbungen, die sie im Dezember losgeschickt hat, hat sie noch immer keine Reaktion, sagt sie. Bei dem Chef-Dating hat sie sich gleich für fünf Gespräche angemeldet. „Wieder eine Hürde geschafft“, meint sie am Ende. Sich auf fünf Unternehmen gleichzeitig vorzubereiten und dann während der Veranstaltung die Konzentration zu halten, sei ihr doch schwergefallen. Von den fünf Gesprächen verzeichnet sie aber zweieinhalb als Erfolg: Ein Unternehmen war direkt an ihr interessiert, eines wollte ihre Mappe für einen Kunden mitnehmen und ein Anwalt meinte, in seiner Kanzlei sei die für sie passende Stelle schon besetzt. Er wolle ihre Mappe aber trotzdem haben, falls einer seiner Mandanten jemanden sucht.

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