Landeshauptstadt: Schöne und harte Zeiten

„Von der bunten Geburtstagstorte wird heute noch ein großes Stück gekostet.“ Lächelnd blickt Rosemarie Lieckfeldt zu ihrer Mutter, die gestern ihren 102. Geburtstag feierte. Die zierliche Martha Borkowski war nicht zu müde, Gäste einzuladen um mit ihnen diesen Tag im Seniorenheim „Geschwister Scholl“ zu feiern. Wenn ihr das Erzählen selbst zu viel wurde, genügte eine kurze Verständigung mit der Tochter, die bei ihr auf der Sessellehne saß.

Zu den Gratulanten zählte neben der Freundin, die ihr die Torte gebacken hat, auch Potsdams Sozialbeigeordnete Elona Müller. Interessiert hörte sie in dem kleinen freundlichen Zimmer von Martha Borkowski den Geschichten eines langen Lebens zu. 80 Jahre wohnt Martha Borkowski nun schon in Potsdam. An so einem Tag kommen viele Erinnerungen wieder: Von schönen Stunden – als Rentnerin verreiste sie gern mit ihrem Mann – aber vor allem von harter Arbeit als Hausfrau und Mutter, um nach dem Zweiten Weltkrieg die Familie ernähren zu können. Für Hobbies war damals jedenfalls keine Zeit. Als der Krieg 1945 zu Ende war, konnte Martha Borkowski ihren Beruf in einer Babelsberger Druckerei nicht mehr ausüben. Alles zerbombt, keine Arbeit. Wichtig war, eine Bleibe zu finden, und da lernte die Witwe Richard Borkowski kennen. Der war handwerklich begabt und bald entstand am Findling ein Häuschen. Aber auch 700 Quadratmeter Land auf den Nuthewiesen gehörten zum neuen Zuhause. Der große Garten musste bewirtschaftet, Hühner und Ziegen versorgt werden. Richard hat nicht nur geholfen, er ist bei Martha geblieben. Gestorben ist ihr Mann im Seniorenheim. Martha, die Ehefrau, lebte von nun an allein, aber nicht einsam. Ihre Betreuerin Astrid Stoll sagte stolz über die älteste und am längsten hier Wohnende: „Sie nimmt täglich an der Beschäftigung teil, wo wir vorlesen, reden, malen und basteln. Bilderrätsel als Gedächtnistraining löst sie noch allein.“ Weil es Martha Borkowski im Heim so gut gefällt, wirbt sie jetzt schon ihre Tochter: „Hier wird man nicht nur satt, hier ist es schön.“ be/jut