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Es geht doch! Marcel Böhme testet den Außenskelett-Roboter „Ekso“.

© dapd

Landeshauptstadt: „Schöner als sitzen“

Gehen lernen – ein Roboter am RZP kann Querschnittsgelähmten dabei helfen

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Innenstadt - Es ist nur ein kleiner Schritt, aber für Marcel Böhme ist es ein großer Fortschritt: „One, two, three – stand!“, kommandiert Physiotherapeut Andrè Veit. „Testpilot“ Böhme beugt den Oberkörper leicht nach vorn, vier Elektromotoren, zwei an den Beinen, zwei an den Hüften, geben ein kaum hörbares Fauchen von sich – und Marcel Böhme steht! Aufgerichtet hat den 34-jährigen Zollfahnder der Außenskelett-Roboter „Ekso“ der Firma Ekso Bionics aus dem amerikanischen Berkeley.

Böhme ist seit einem Unfall im Oktober 2009 querschnittsgelähmt. Es war „ein Dienstunfall in Verbindung mit Luftfahrzeugen“, sagte der junge Mann mit den kräftigen Oberarmen zurückhaltend. Mehrmals in der Woche kommt Böhme ins Rehazentrum Potsdam (RZP) im Gesundheitspark des Bergmann-Klinikums, um wieder Gehen zu lernen. Der Mann hat „ein realistisches Ziel“: In „sechs bis zehn Jahren will ich aus dem Rollstuhl raus sein“, sagte er am Donnerstag bei der Präsentation von „Ekso“ im RZP. Böhme: „Gehen ist schöner als sitzen.“

Der leitende Arzt des RZP, Dr. Thomas Winter, kann sich durchaus „einen längerfristigen Einsatz von ,Ekso’“ beim RZP vorstellen – wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Entschieden ist offenbar noch nichts; über Preise wird noch nicht gesprochen, nach PNN-Informationen kostet einer dieser Roboter, an den sich der Gehbehinderte festschnallt, zwischen 60 000 und 70 000 Euro. Winter zufolge kann „Ekso“ andere Trainings- und Therapieformen nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Es bedeute für die Patienten jedoch „einen riesigen Motivationsschub“, endlich einmal wieder auf Augenhöhe seinen Mitmenschen gegenüberzustehen – oder ihnen gar einen Schritt entgegenzugehen. Die „Gangrehabilitation“ von Unfall- oder Schlaganfall-Patienten sei mit hohem Aufwand verbunden. Über allem stehe ein Grundsatz: „Wer wieder gehen möchte, muss laufen.“ Das neuronale System des Menschen besitze eine hohe Plastizität – andere Hirn- und Rückenmarksareale könnten die Aufgabe von zerstörtem Gewebe übernehmen. Voraussetzung dafür ist Training. „Das Gehirn wird umgebaut durch die Therapie“, erklärte Winter.

Abgeleitet wurde der 23 Kilogramm schwere Gangroboter von einer militärischen Version für das US-Militär, die Soldaten ermöglichen soll, 100 Kilogramm Gepäck durch schweres Gelände zu transportieren, erläuterte Ekso-Deutschland-Chef Manuel Lareira. Das Gewicht der Maschine spüre der Mensch gar nicht und werde vollkommen über den Boden abgeleitet. Angetrieben wird die High-End-Gehhilfe von zwei Lithium-Ionen-Batterien, die das Gerät vier bis sechs Stunden in Gang halten können. „Ein voller klinischer Tag“, so Lareira.

Auch Christian Bundschuh hat den Roboter ausprobiert. Der Dachdecker war 2008 durch ein Dach gefallen und hat sich den Halswirbel gebrochen. Ihm könne der Roboter helfen, einen flüssigen Bewegungsablauf zu erlernen. Den Wunsch, eines Tages wieder zu gehen, teilt Bundschuh mit „Testpilot“ Böhme. Dieser bekennt tabulos, das „Ekso“ nicht nur beim Laufen lernen hilft. Auch die Blasen- und die Darmfunktion komme beim Gehen mit diesem Gerät wieder in Gang. Ziel bleibe es auf jeden Fall „eines Tages ohne Roboter zu laufen“. Guido Berg

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