PNN-INTERVIEW: „Schöner ist, wenn Gärten frei zugänglich sind“
Herr Hirche, in den 1990er Jahren lag Potsdam im Clinch mit der Unesco. Wegen der Bahnhofspassagen und der Bebauung des Glienicker Horns drohte die UN-Organisation, das Potsdamer Welterbe auf die Rote Liste der gefährdeten Welterbestätten zu setzen.
Stand:
Herr Hirche, in den 1990er Jahren lag Potsdam im Clinch mit der Unesco. Wegen der Bahnhofspassagen und der Bebauung des Glienicker Horns drohte die UN-Organisation, das Potsdamer Welterbe auf die Rote Liste der gefährdeten Welterbestätten zu setzen. Hat die Stadt aus diesem Konflikt gelernt?
Potsdam hat sich seitdem auf den notwendigen Dialog eingelassen. Im Unterschied zu Dresden mit seiner Waldschlösschenbrücke wurden in Potsdam Lösungen gefunden, sowohl am Bahnhof als auch am Glienicker Horn.
Hat man hier nicht einfach im Nachhinein Bausünden akzeptiert und der Stadt das Versprechen abgenommen, es beim nächsten Mal besser zu machen?
Nachträglich ist es natürlich immer schwierig, ein Optimum zu finden, aber angesichts von Tatsachen, die nun einmal geschaffen waren, denke ich, können alle Seiten einigermaßen mit der Situation leben – manche sicher nur mit Magenknurren. Eines ist aber auch wichtig: Welterbe darf nicht bedeuten, dass eine Stadt als Museum erstarrt, wo keiner mehr hingeht, keiner sich wohlfühlt. Die Entwicklung der modernen Zeit muss verarbeitet werden.
Zu den Plänen um die Matrosenstation Kongsnaes an der Schwanenallee am Ufer des Jungfernsees äußerten Sie im Herbst vergangenen Jahres, für Sie persönlich seien alle Sorgen ausgeräumt.
Die Diskussionen um die Matrosenstation an der Schwanenallee gehen möglicherweise immer noch weiter – da kenne ich nicht den letzten Stand. Ich denke, dass man in Potsdam ein Diskussionsklima gefunden hat, in dem sich Konflikte lösen lassen. Was den befürchteten Lärm in der Schwanenallee angeht, so ist das allerdings kein Thema, das die Unesco zu bewerten hätte.
Zum Küchenanbau für die Ventehalle der Matrosenstation, die nach historischem Vorbild wiedererrichtet werden soll, meinten Sie vor einigen Monaten, das sei ein „gesonderter Diskussionspunkt“. Ein Anwohner sprach gar von einem „Küchenbunker“.
Es fallen in solchen Diskussionen natürlich immer Vokabeln auf der einen oder anderen Seite, die ein Stückchen Verzerrung in sich haben. Bei Bunker denke ich an Krieg. Solche Vokabeln sollte man nicht verwenden. Aber wenn die Außenansicht des geplanten Baus verbessert werden kann und sich am Ende alles noch harmonischer in die Landschaft fügt, dann sollte man daran arbeiten. Aber ich habe den Eindruck, dass die Stadt Potsdam sich da durchaus bemüht.
Also wird alles gut mit Kongsnaes?
Das Wichtige ist – und deswegen bedauere ich so, dass wir in Dresden nicht so weit gekommen sind – dass man diskussionsbereit bleibt. Auch in Paris beim Welterbezentrum wird sich niemand gegen Veränderungen an sich sperren, aber gegen Unverhältnismäßigkeit und dagegen, dass Welterbe in seinem Charakter negativ berührt wird.
Derzeit diskutiert man in Potsdam über den Parkeintritt für Sanssouci. Es gibt mittlerweile einen Beschluss des Stiftungsrats dafür. Wie stehen Sie dazu?
Also das ist eine Entscheidung, die man vor Ort treffen muss. Dazu gibt es keine generelle Regel seitens der Unesco. Ich denke, wenn das Geld wirklich nur zur Pflege des Parks eingesetzt wird und man gleichzeitig eine soziale Lösung für Familien findet und auch Fremde nicht mit den Preisen abschreckt, dann kann man im Einzelfall damit leben. Ich würde raten, nach einem Jahr Bilanz zu ziehen. Dann wird man sehen, was man davon hat. Schöner ist, wenn Gärten frei zugänglich sind.
Das Interview führte Holger Catenhusen
Walter Hirche, 71, ist seit 2003 Präsident der Deutschen Unesco-Kommission. Von 1990 bis 1994, im Stolpe-Kabinett, war Hirche Brandenburgs Wirtschaftsminister.
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