Landeshauptstadt: Schönheit auf Kopf und Dach
Visite im Friseursalon „La Belle“ und im Ausbildungszentrum der Dachdecker-Zunft
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Visite im Friseursalon „La Belle“ und im Ausbildungszentrum der Dachdecker-Zunft Von Guido Berg Annika Nessau ist Lehrling und hat chinesische Stäbchen im hochgesteckten Haar. Ihr Kleid lässt Platz für einen Drachen, den ihr Eva Möckel kunstvoll von einem Schulterblatt zum anderen aufmalt. „Schön“, sagt Oberbürgermeister Jann Jakobs gerührt. Zum diesjährigen Thementag „Handwerk“ hatte er gestern zwei Termine im Kalender: Erst Besuch des Friseursalons „La Belle“ in der Lotte Pulewka-Straße, dann Visite im Landesausbildungszentrum des Brandenburgischen Dachdeckerhandwerks in der Röhrenstraße. Ästhetisch betrachtet kam das Beste zuerst: Der Salon im Zentrum Ost müsste eher „Les Belles“ heißen – die Schönen statt singular, die Schöne. Von den 18 Lehrlingen allein in dieser Filiale der Genossenschaft „Cut and Care family“ sind 16 weiblichen Geschlechts, junge Frauen, die den Wert des Schönen schätzen – ebenso wie der Oberbürgermeister: „Hochgesteckte Haare sind wieder im Kommen“, sagt Jakobs, „das hat man auch beim Modeball sehen können.“ In einem Punkt haben es Philipp Einhorn und Oliver Sauer besser als die Lehrlinge im Dachdeckerhandwerk. Die beiden angehenden Friseure sind im „La Belle“ Hahn im Korbe, während bei den Dachdeckern in Babelsberg nur junge Männer lernen – bis auf Julia Stoecker, die „es nicht schlimm“ findet, als Frau künftig Bauherren aufs Dach zu steigen. Laut Ingo Thalmann, Vorsitzender der Friseurgenossenschaft, hat „der größte Teil“ der insgesamt 31 Lehrlinge der Genossenschaft eine klare Berufsperspektive in der Firma – Ehrgeiz und fachliche Fähigkeiten vorausgesetzt. Probleme bereit der Zunft laut Thalmann die Schwarzarbeit – etwa Berufsabbrecher, die später „nebenbei tätig sind“. Auch die Dachdecker haben Sorgen: Landesinnungsmeister Wolfgang Blank fürchtet „Ich-AGs“: Leute, die die Preise kaputt machen. Ausbildungsleiter Klaus Becher kritisiert die Leistungsmängel der Schulabgänger, bei manchen Lehrlings- Texten müsste selbst seine promovierte Frau einen Schriftsachverständigen bemühen. Beim Besuch von Jakobs im neuen Dachdecker-Bildungszentrum wurde gestern thematisiert, warum das Gebäude mit seinem Flachdach so wenig dachdecker-typisch aussieht. Prämisse sei die geringe Bauhöhe gewesen, die ein Steildach mit Ziegeln unmöglich gemacht hätten. Doch allgemein sagt Becher zu dem Lehrgebäude: „Jetzt haben wir es gut“. Zudem: Auch Flachdächer gehörten zum Dachdeckerberuf – und daher üben die Lehrlinge in einer der neuen Hallen das Anbringen von Schweißbahnen. 14 Wochen innerhalb seiner dreijährigen Lehrzeit wird ein Dachdecker-Lehrling in der Röhrenstraße ausgebildet. Hinzu kommt die Ausbildung von Gesellen und – ab und an – wird ein Meistertitel vergeben. Der fällt nicht vom Himmel, der muss sich erworben werden. Etwa mit dem Decken von zwei im Winkel von 90 Grad voneinander abgeneigten Dächern, verbunden mit einer Biberschwanz-Kehle. Blank zeigt Fotos, stolze Männer neben „ihrer“ Kehle, Dachverbindungen wie gemalt. Auch sehr schön.
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