Aus dem GERICHTSSAAL: Schuldner am Pranger
Gerichtliches Nachspiel eines Darlehensvertrages
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Aus dem GERICHTSSAALGerichtliches Nachspiel eines Darlehensvertrages Jahrelang ging alles gut: Leo L.* (46) und Hannes H.* waren Freunde, halfen sich finanziell gegenseitig aus der Klemme, falls in ihren jeweiligen Unternehmen der Schuh drückte. Einmal lieh Leo L. dem Pädagogen 61355 Euro, die dieser laut von ihm selbst verfasstem Darlehensvertrag binnen eines halben Jahres zurückzahlen wollte. Andernfalls – so verpflichtete sich Hannes H. – werde er sich mit seinem gesamten Vermögen der Zwangsvollstreckung unterwerfen. Die Frist zur Rückerstattung der Schulden verstrich, Hannes H. rührte sich nicht. Leo L. klagte gegen den Mann und bekam Recht. Der Lehrer wurde vom Landgericht verurteilt, die Summe schnellstmöglich zu begleichen. Papier ist geduldig, Leo L. war es nicht. Das brachte ihn jetzt auf die Anklagebank des Amtsgerichts. Als der Versicherungsvertreter keinen Cent von seinem Geld wiedersah, schrieb er zwischen April 2001 und September 2002 mehrere Postkarten – mit netter Anrede und höflichem Gruß, allerdings recht unfeinem Text – an den inzwischen zum Feind Gewordenen. Er drohte, dessen Zahlungsunwilligkeit diversen Behörden sowie dem Amtsschulleiter mitzuteilen und dafür zu sorgen, dass die von ihm betriebenen Einrichtungen geschlossen sowie gegen ihn ergangene Urteile veröffentlicht würden. Der Staatsanwalt befand, dies sei nötigend und beleidigend. Die Richterin setzte noch eins drauf: „Der Postbote konnte die Karten prima lesen. Sie haben Herrn H. an den Pranger gestellt.“ Leo L. beharrte in der gestrigen Verhandlung auf seiner Sicht der Dinge. „Hannes H. ist ein Krimineller und ein Verräter. „Ich habe eine Hypothek auf mein Grundstück aufnehmen müssen, um ihm das Geld leihen zu können. Die Bank sitzt mir schon im Nacken, droht mit Zwangsversteigerung“, begründete der Angeklagte sein Tun. „Warum haben Sie Ihren Freund nicht zur Bank geschickt, einen Kredit aufzunehmen?“, parierte die Vorsitzende, erfuhr schließlich, Hannes H. habe sich mit dem Geld an der Chipfabrik in Frankfurt/Oder beteiligen wollen. „Hätte er einen Fuß drin gehabt, wollte er mich beteiligen.“ Hannes H. (52) – als Zeuge geladen – bestritt nicht, das Geld bekommen und bis heute nicht zurückgezahlt zu haben, gab allerdings einen ganz anderen Verwendungszweck an. „Ich war damals im Wertpapiergeschäft tätig.“ Mit dem Geld habe er an der Börse spekulieren, den Gewinn mit dem Angeklagten teilen wollen. Leider sei die Sache in die Hose gegangen. Als Äquivalent habe er Leo L. seine zwei Grundstücke auf Mallorca überschreiben lassen. Das Gericht hatte genug gehört und stellte das Verfahren gegen Leo L. ein. (*Namen geändert.) gh
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