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Lehrer erprobten Wege gegen Diskriminierung
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Auch Lehrer sind nicht frei von Vorurteilen. Das belegen zahlreiche Studien. Die angehenden Lehrer in Grund-, Gymnasial-, Förder- und Gemeinschaftsschulen im Wochenendseminar an der Oberlinschule wussten davon. „Auch wir Lehrer haben einige diskriminierende Schablonen im Kopf“, stellte Jennifer Kleinhans, eine der Organisatorinnen des Seminars, fest. Mit einer Projektgruppe des Studienförderwerks Klaus Murmann hat sie das Seminar organisiert. Rund 25 künftige Pädagogen nahmen teil. Auffällig ist, dass weniger als ein Viertel der Teilnehmer Männer waren. Es scheint, als wären Frauen erheblich stärker an der Selbstreflexion über eigene Methoden interessiert und deshalb auch eher bereit, ein Wochenende der Fortbildung zu opfern.
Ziel war es, herauszufinden, wo persönliche Schwachstellen liegen, wo sich Lehrer von Denkmustern leiten lassen, die dem einzelnen Schüler nicht gerecht werden. Bilder, auf denen Schüler zu sehen sind, denen bestimmte Eigenschaften zugeordnet werden sollen, Konfliktsituationen, die mit Beispielen illustriert werden, Argumentationsstrategien, die es ermöglichen sollen, schnell auf eine kritische Situation zu reagieren, wurden geprobt. Handlungsanweisungen für die Krisensituation wurden erstellt.
„Bei der Empfehlung für das Gymnasium ist noch immer auch die Herkunft des Schülers und der soziale Hintergrund mit ausschlaggebend“, erklärte Jennifer Kleinhans. Sie erwähnte eine Studie aus dem Jahr 2009, nach der schon der Name eines Schülers prägend für die Benotung sein kann. „Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose“, so die Überschrift der Studie. Die Untersuchung hatte damals bundesweit für Aufsehen gesorgt. Auch das Vorurteil, dass Mädchen sich in der Mathematik nicht zurechtfinden würden, ließe sich trotz vielfältiger gegenteiliger Studien kaum aus der Welt schaffen, sagt Kleinhans.
In solchen Fällen gelte es ebenso, Aufklärungsarbeit zu leisten, wie bei der Sensibilisierung für die unterschiedlichen Ethnien der Schüler. „Wenn der Lehrer nicht weiß, wie ein fremdländischer Name ausgesprochen wird, sollte er vorher fragen, sonst hat der betreffende Schüler schnell einen Spitznamen weg“, erklärte Kleinhans. Das Wissen um bestimmte Schubladen und Diskriminierungsmechanismen könne dem einzelnen Referendar oder Lehrer ermöglichen, gegen seine Vorurteile anzugehen.
Zu dem Seminar waren auch Dozenten der Rütli-Schule gekommen, deren Lehrer 2006 auf die sich ausbreitende Gewalt an Schulen in Berlin aufmerksam gemacht hatten. Die Schulstrukturen seien im Umbruch, berichteten sie, der Prozess aber noch lange nicht abgeschlossen. Die Tatsache, dass nicht nur in manchen Berliner Stadtteilen bis zu 30 Prozent und mehr der Schüler einen Migrationshintergrund haben, schlage sich beispielsweise in den Schulbüchern noch überhaupt nicht nieder. „Schulbücher werden noch immer ausschließlich mit dem weißhäutigen, blonden Mittelstandskind illustriert, obwohl das häufig nicht mehr der Realität entspricht“, stellte Florian Baumert fest, der derzeit an einem Gymnasium in Berlin-Steglitz als Referendar unterrichtet. Themen wie sexuelle Vielfalt, Mobbing in der Schule und Konsumorientierung auch unter Schülern sollten stärker von angehenden Lehrern beachtet werden. Richard Rabensaat
Richard Rabensaat
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