Landeshauptstadt: Schüler demonstrierten unentschuldigt
500 Jugendliche gingen gegen Schulgesetz auf die Straße / Schulleitungen werden Repressalien vorgeworfen
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Innenstadt - Gegen Werbung an Schulen und für Veränderungen in der aktuellen Bildungsgesetznovelle des Landes demonstrierten gestern Vormittag etwa 500 Schüler in der Potsdamer Innenstadt. Das Schulgesetz soll am Freitag im Landtag verabschiedet werden, es enthält nach Ansicht der Schüler Franz Heilgendorff (Helmholtz-Gymnasium Potsdam) und Christian Spindler (Weinberg-Gymnasium Kleinmachnow) jedoch strittige Passagen. Dazu würde die Werbung an Schulen gehören, die künftig möglich wird, aber auch die Einführung von Kopfnoten, die Beobachtung der Schüler mit Kameras ohne deren vorherige Einwilligung zu wissenschaftlichen Zwecken sowie die Einführung von Begabtenklassen, Sprachtests, Mindestnotenwerten und Eignungstests. Sie übergaben eine Petition mit ihren Forderungen an Mitarbeiter des Bildungsministeriums. Minister Holger Rupprecht (SPD) wolle diese heute mit in den Landtag nehmen und an die einzelnen Fraktionen austeilen.
Dass sich am Schulgesetz noch etwas ändern wird, glaubt Silvana Hillinger aus dem Bildungsministerium nicht. Sie machte den Schülern bei Übergabe der Petition wenig Hoffnung, dass ihre Vorschläge erneut diskutiert würden. Alle Beteiligten seien mehrfach gehört worden, nun obliege es den Parteien, einen der Vorschläge aufzugreifen und als Änderung vor einer Abstimmung einzubringen. Die SPD-Landtagsabgeordnete Klara Geywitz erklärte gestern: „Wichtige Vorschläge der Schülervertreter wurden bereits berücksichtigt.“ Sie begrüße zwar das Engagement der Schüler, jedoch seien die strittigen Passagen sorgsam abgewogen worden. Die Bildungspolitische Sprecherin der Linkspartei.PDS-Landtagsfraktion, Gerrit Große, sagte dagegen, sie unterstütze das Anliegen der Schüler. Das neue Schulgesetz ist ein Kompromiss zwischen den Regierungsparteien SPD und CDU. Während die Landesregierung zuletzt über Werte in Schule und Gesellschaft diskutierte, „fordern Schüler ihre demokratischen Rechte ein und stimmen mit den Füßen ab“, so Große.
Doch dafür könnten sie letztendlich noch bestraft werden. Denn das Staatliche Schulamt hat in einem Fax am Montagmorgen nochmals an alle Schulleiter die klare Linie vorgegeben, dass die Teilnahme an der Demo zu verhindern sei und es keine Entschuldigung für ein Fehlen der Schüler gebe. Ministeriumssprecher Stephan Breiding erklärte auf Nachfrage, es gebe keine Anweisung vom Ministerium an das Staatliche Schulamt oder die Schulen. Dennoch behaupteten mehrere Teilnehmer der Kundgebung, sie seien von ihrer Schulleitung unter Druck gesetzt worden, nicht an der Demonstration teilzunehmen. So soll es beispielsweise im Potsdamer Helmholtz-Gymnasium zur Androhung einer Anzeige gegen einen Schüler gekommen sein, der sich für die Teilnahme an der Demonstration einsetzte und ein Plakat dafür in der Schule anbringen wollte. Schulleiter Dieter Rauchfuß erklärte dazu, der Schulrat habe sich gegen eine Beteiligung der Schule ausgesprochen. Er persönlich habe auch kein Verständnis für die Demonstration. Zehn Schüler des Gymnasiums sollen dennoch am Demonstrationszug teilgenommen haben. Zu Diskussionen zwischen Demonstranten und dem Schulleiter des Einstein-Gymnasiums, Dieter Born-Frontsberg, kam es am Rande der Kundgebung. Schüler warfen Born-Frontsberg vor, er habe den Gymnasiasten seiner Schule die Teilnahme an der Demonstration verboten und Konsequenzen angedroht. Born-Frontsberg erklärte, „es gab keine Drohungen“. Er habe dem Kollegium im Vorfeld mitgeteilt, die Schüler über die Ziele der Demonstration zu informieren und die Schulgesetznovelle im Unterricht zu thematisieren. Als Konsequenz für die Teilnahme an der Demonstration könnten den Schülern einzig unentschuldigte Fehlstunden ins Zeugnis geschrieben werden, hieß es gestern aus dem Bildungsministerium.
Wie Ulrich Benstz, Jurist und zuständig für das Referat Schulgesetz im Bildungsministerium, erklärte, hätten Gerichte bislang in zwei Fällen die Schulpflicht höher bewertet als das Recht auf Meinungsäußerung. Es gebe jedoch keinen Präzedenzfall in Brandenburg.
Die Schulgesetznovelle online
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