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Landeshauptstadt: Schulhaus für Kriegsversehrte

Eine Arbeitsgemeinschaft an der Goethe-Gesamtschule erforscht zum Jubiläum die hundertjährige Geschichte des Standorts

1933 war das Wort „Freiheit“ auf dem Hof der Goethe-Gesamtschule ein Verbrechen. Ein Brief an die Obere Schulverwaltung beweist es. Laut dem Schreiben stimmten zwei Abiturienten beim Appell nicht in die „Sieg Heil“-Sprechchöre während des Hissens der Hakenkreuzfahne ein, sondern riefen „Freiheit“. In dem Papier, das Raika Seipold und einige ihrer Schüler im Archiv ihrer Schule gefunden haben, existiert der Vermerk, dass nun über Konsequenzen für die beiden Unruhestifter nachgedacht werden müsse – die Tatsache ihrer nachträglichen Entschuldigung habe dabei keine Rolle zu spielen.

Es sind solche spannenden Geschichten, die in der Goethe-Gesamtschule gerade gesammelt und geordnet werden, um daraus eine DVD, eine Festschrift, und eine Ausstellung zu erstellen. Fertig werden muss alles innerhalb der nächsten zwei Monate: Das Haus feiert vom 26. bis zum 30. März sein hundertjähriges Bestehen als Schulstandort. Generationen von Babelsbergern haben hier gelernt und Geschichte hinterlassen.

Um die Historie der Schule zu ergründen, hat Geschichtslehrerin Seipold mit Schülern eine Arbeitsgemeinschaft gegründet. Zusammen haben sie beispielsweise im Stadtarchiv geforscht. Und Zeitzeugen eingeladen. An diesem Nachmittag ist eine der ehemaligen Schülerinnen da: Gundula Urbach. Sie hat zwischen 1947 und 1955 an der Schule gelernt. Mitgebracht hat die Seniorin Bücher und Hefte von damals, etwa ein „Kleines Einmaleins“, dessen verblasste Tintenflecke von häufiger Benutzung zeugen. Auch ein Album mit Klassenbildern hat Urbach noch gefunden. „Das hilft uns sehr“, bedankt sich Seipold. Denn in der Schule selbst künden von der Vergangenheit außer ein paar Schriftstücke nicht mehr viele solcher Gegenstände, die Geschichte verständlich machen. „Das meiste der persönlicheren Dinge ist bei Aufräumaktionen wohl in den Müll gewandert“, bedauert Seipold.

Doch nicht nur der Reliquien aus den früheren Schulzeiten wegen sind die Zeitzeugen für die Projektgruppe wichtig. Menschen wie Gundula Urbach können erzählen, wie die Atmosphäre an der Schule früher war. Sie selbst hat nicht nur positive Erinnerungen an die Zeit. Denn in ihrem Zeugnis findet sich ein für DDR-Zeiten folgenschwerer Satz: „Dem sozialistischen Kollektiv steht die Schülerin eher abwartend gegenüber.“ Die Einschätzung verbaute ihr zunächst die berufliche Entwicklung, der mangelnden Systemtreue wegen. „Einmal fragte ich, warum es immer noch Stromsperren gibt“, erinnert sich Urbach. Die Antwort ihrer Lehrerin: „Weil zu viele Leute schon Kühlschränke benutzen.“ Urbach sagte: „Es gibt aber doch gar keine Kühlschränke.“ Solche Erinnerungen werden sich später auf der geplanten DVD der Schulgeschichte finden: Die Zeitzeugengespräche werden gefilmt. Eine Stunde soll das Ergebnis lang sein. „Zum Glück“, sagt Seipold, gebe es vor dem Jubiläum noch eine Projektwoche, bei der die 11. Klasse weiter an der DVD arbeiten könne.

Die Schüler werden dann auch den größten Einschnitt in der Schulgeschichte kennen lernen: Ab Januar 1945 war die Goethe-Schule für ein halbes Jahr eine Außenstelle des Oberlin-Krankenhaus für Kriegsversehrte: „Allerdings wurde das Haus beim Bombenangriff auf Potsdam bis auf wegen des Explosionsdrucks geplatzte Fensterscheiben nicht beschädigt.“

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