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Homepage: Schusswaffen waren verboten Autoren untersuchen die friedliche Wende 1989

Durch Anwendungen körperlicher Gewalt sollten Grenzüberschreitungen 1989 an der innerdeutschen Grenze verhindert werden. Die „Anwendung der Schusswaffe im Zusammenhang mit möglichen Demonstrationen“ aber war grundsätzlich verboten.

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Durch Anwendungen körperlicher Gewalt sollten Grenzüberschreitungen 1989 an der innerdeutschen Grenze verhindert werden. Die „Anwendung der Schusswaffe im Zusammenhang mit möglichen Demonstrationen“ aber war grundsätzlich verboten. So bestimmte es der Staatsratsvorsitzende Egon Krenz als Nachfolger von Erich Honecker in einem Befehl vom November 1989. Dem Staatschef stand durchaus vor Augen, was hätte passieren können, wenn die Grenzsoldaten und Polizeitruppen „ausgerüstet mit einem tief verinnerlichten Feinbild“ zur Waffe gegriffen hätten. Krenz mutmaßte wohl zurecht, dass ein Blutbad die Folge gewesen wäre.

„1989 und die Rolle der Gewalt“ betrachtet Martin Sabrow, Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF), zusammen mit 16 anderen Autoren in einem jüngst erschienenen Buch. Die Beiträge reichen von Holger Nehring, der „Bausoldaten und die Friedlichkeit der Revolution von 1989“ thematisiert, über den „friedlichen Umbau der europäischen Ordnung und die Bonner Politik“, zu der sich Manfred Görtemaker äußert, bis hin zur rumänischen Revolution, über die Peter Ulrich Weiss schreibt. Die Autoren beleuchten, wie in bisher historisch einmaliger Weise ein politisches System ohne nennenswerte Gewaltausbrüche zusammenbrechen konnte. Sie fragen sich, ob die Menschheit seit der französischen Revolution tatsächlich dazu gelernt hat.

Sabrow sieht die Gründe für das weitgehende Ausbleiben von Gewalt beim Fall des „eisernen Vorhang“ in der historischen Entwicklung. Der „Referenzrahmen des Herrschaftssystems der DDR“ habe sich im Laufe der Jahrzehnte deutlich geändert, so Sabrow. Mit dem „Auslaufen des kommunistischen Experiments in seiner vorwärts drängenden Form“, sei die Anwendung von Gewalt gegen die immer zahlreicher werdenden Demonstranten keine wirkliche Option mehr gewesen. Überhaupt sei in den 80er Jahren die Gewaltlosigkeit ein dominierendes Motiv gewesen. Auf ostdeutscher Seite habe sehr lange niemand wirklich an den Untergang des sozialistischen Systems geglaubt. Selbst Honecker sei davon ausgegangen, dass er den Staat gewaltlos retten könne.

Der von Sabrow aufgestellten These der „Entgewaltung“ widersprach Jörg Baberowski (Humboldt Universität) bei der Buchvorstellung. Seiner Ansicht nach ist ein charakteristisches Moment der Gewalt, dass diese endgültig wirkt: „Einen Faustschlag kann man nicht wieder zurücknehmen.“ Gewaltanwendung sei 1989 eine Frage der Abwägung von Vorteilen gewesen. Schon in den 50er Jahren sei nicht nur in der UdSSR die kommunistische Utopie weitgehend verloren gegangen. Als sich dann zeigte, dass westliches Konsumniveau nie erreicht würde, hätten die Ostdeutschen Politiker bei ihrer Reaktion auf die Demonstrationen abgewogen, was sie bei einer Gewaltanwendung erreichen konnten. „Den meisten war klar, dass das Leben auch nach einem Zerfall des Staates nicht zu Ende war und sie eine persönliche Zukunft hatten. Da verblassen die kommunistischen Utopien vor den persönlichen Vorteilen.“

Eine Ausnahme beim friedlichen Zerfall des Ostblocks sei lediglich Rumänien gewesen. Diktator Ceausescu habe während seiner Herrschaft rücksichtslos Regimegegner erschießen lassen. Daher hätten diese auch nicht gezögert, ihm dies mit gleicher Münze zu vergelten. Die generell von Gewalt und Angst geprägte Stimmung in Rumänien habe dann auch zu Gewalttätigkeiten beim Untergang des Regimes geführt. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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