Landeshauptstadt: Schwarze Strümpfe und bunte Farbtöpfe
Zwei Potsdamer erzählten von der Suche nach dem Osterhasen und der Faszination an Trauerkleidern
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Hausgeburt versus Krankenhaus. Särge gegen Osterhase. Historischer Stadtkern contra Betonwüste. Es waren zwei Generationen, die am Donnerstagabend im Potsdam Museum im Alten Rathaus zusammentrafen.
Im Rahmen der vom Förderverein des Potsdam Museums veranstalteten Gesprächsreihe „Kindheit in Potsdam“ sprachen die Fotografin Monika Schulz-Fieguth und der Technische Geschäftsführer des Unternehmens Yopegu, Kevin Lücke, über ihre Kindheit in der Landeshauptstadt. Dabei enthüllten sie so manches skurriles Geheimnis.
Schulz-Fieguth wurde 1949 in der Weinbergstraße geboren. Wie auch schon bei ihren älteren Brüdern hatte sich die Mutter für eine Hausgeburt entschieden. Sie kam als Sonntagskind zur Welt, allerdings nicht als gewöhnliches – die Fotografin wurde an einem Totensonntag geboren. Das erklärt vielleicht auch ihre eher seltsame Leidenschaft: „Als ich ein Kind war, war mein Lieblingsgeschäft „Müller-Wünsche“, erzählte sie. „Die hatten eine so herrliche Auswahl an schwarzen Kleidern und Strümpfen.“ Was sie dabei zunächst verschweigt: „Müller Wünsche“ war ein Beerdigungsinstitut, das unter anderem auch Trauerkleider verkaufte. „Als Kind haben mich die Särge unglaublich fasziniert“, so Schulz-Fieguth. „Vor allem die weißen Kindersärge, die waren unheimlich schön verziert.“ Allerdings sei die Faszination später verloren gegangen. Was aber bestehen blieb, wäre ihre Vorliebe für schwarze Kleidung. „Das ist einfach viel unkomplizierter“, sagte sie lachend.
Kevin Lückes Anziehungspunkt war dahingegen sehr viel kindestypischer. Der im Jahr 1983 geborene Unternehmer wurde als Kind oft von den Grenztruppen nach Hause gebracht, weil er im Grenzgebiet gespielt hatte. „Das war unglaublich spannend, denn hinter den Zäunen standen immer Farbtöpfe herum“, erzählte er. „Da dachte ich, dass da der Osterhase wohnt und bin immer wieder gucken gegangen.“
Lücke wurde im Ernst von Bergmann Klinikum geboren und erlebte fast schon einen Schulwechselmarathon. „Erst war ich in der Grundschule in Babelsberg, dann auf der ehemaligen Gagarin-Schule am Stern, dann in der Schule 36, dann wieder zurück auf der Gagarin und zum Schluss auf der Voltaire Schule“, erzählte er. Allerdings hätte dieses Hin und Her eher mit der damaligen Schulpolitik zusammengehangen, als mit seinen Leistungen. „Ich war zwar nicht der bravste Schüler“, sagte er schmunzelnd. „Aber von den Leistungen her war ich immer gut.“
Schulz-Fieguth erinnerte sich eher an ihre Zeit im Kindergarten. „Ich hätte eigentlich nicht dort hingehen müssen, weil meine Mutter zu Hause war“, sagte sie. „Aber ich wollte unbedingt eine Brottasche wie die anderen Kinder haben, also ging ich hin.“ Allerdings hätte sie nach vier Wochen die Begeisterung auch schon wieder verlassen, da sie von stärkeren Mädchen immer von den Turnstangen vertrieben worden sei. Eine Feindschaft, die nicht für immer hielt. „Lustigerweise bin ich mit dem einen Mädchen bis heute befreundet“, erzählte sie lachend.
Gerne erinnerte sie sich auch an das damalige Stadtbild mit Garnisonkirche und geflutetem Kanal zurück. Sprengung und Zuschüttung wären für sie jedoch schreckliche Erlebnisse gewesen.
Lückes Erinnerungen verlaufen genau andersherum. „Ich erinnere mich noch an die vielen Betonbauten der DDR und bin sehr froh, dass sich Potsdam vom Stadtbild heute wieder nach vorne entwickelt“, sagte er.
Den Mauerfall haben beide Potsdamer nur am Fernseher mitverfolgt. Bei aller Freude war das erste Westerlebnis für Lücke aber eher enttäuschend. „ Ich konnte endlich eine Milchschnitte probieren, die ich sonst nur aus der Werbung kannte“, erzählte er schmunzelnd. „Aber der Geschmack war und ist bis heute absolut nicht mein Ding.“
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