Aus dem GERICHTSSAAL: Schwester muss 3000 Euro zahlen Amtsgericht: Keine fahrlässige Tötung
Nach ihrer schweren Bauchoperation im Klinikum „Ernst von Bergmann“ war Gerda G.* (70) auf dem Wege der Besserung.
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Nach ihrer schweren Bauchoperation im Klinikum „Ernst von Bergmann“ war Gerda G.* (70) auf dem Wege der Besserung. Mit Hilfe von zwei Physiotherapeuten konnte die Frau bereits am Rollator laufen. Nur noch wenige Tage, und sie wäre zur Weiterbehandlung in die Pflegeeinrichtung in der Weinbergstraße verlegt worden. Dann stürzte die Patientin auf dem Weg zur Toilette, schlug mit dem Hinterkopf hart auf dem Linoleumfußboden auf. Sie erlitt unter anderem ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, fiel ins Koma. Das war am 5. August 2007. Über drei Jahre später – am 7. Oktober 2010 – verstarb Gerda G., ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die durch den Sturz verursachten Verletzungen in kausalem Zusammenhang mit dem Ableben der Rentnerin stehen. Sie klagte die damals diensthabende Krankenschwester Renate B. (inzwischen 62) wegen fahrlässiger Tötung an.
Obwohl Gerda G. laut Aktenlage als erheblich sturzgefährdet eingestuft worden sei und die Angeklagte die Situation an jenem Augustvormittag des Jahres 2007 offenbar falsch einschätzte, müsse das Verfahren gegen die bislang unbescholtene Krankenschwester nicht mit einer Verurteilung enden, befand Amtsrichter Francois Eckardt während der gestrigen Verhandlung. Er stellte das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage von 3000 Euro vorläufig ein. Sechs Monate hat Renate B. Zeit, den Betrag zu begleichen. Dann wird der Aktendeckel endgültig zugeklappt.
„Die Patientin war kreislaufmäßig gut drauf. Sie sollte in ihrer Mobilität unterstützt werden“, erzählte Renate B., examinierte Krankenschwester, jetzt allerdings im Ruhestand. „Als sie zwei, drei Schritte am Rollator gelaufen war – ich hatte inzwischen die Türen geöffnet – stürzte sie wie aus heiterem Himmel nach hinten. Ich konnte nichts machen.“ Obwohl Gerda G. bereits Tage zuvor über Schwindelgefühlte klagte, habe es keine ärztliche Anweisung gegeben, dass sie im Bett bleiben solle. „Ich sah deshalb auch keine Veranlassung, eine Kollegin zur Unterstützung zu holen“, so die Angeklagte.
Der Sohn der Verstorbenen berichtete im Zeugenstand, seine Mutter sei in seinem Beisein mehrfach ohnmächtig geworden. Er habe dies einem Pfleger und der Stationsärztin mitgeteilt. Allerdings seien seine Beobachtungen nicht in den Patientenunterlagen dokumentiert worden.
Dr. Jörg Semmler, Gerichtsmediziner aus Potsdam, obduzierte die Verstorbene am 12. November 2010. Obwohl Gerda G. über drei Jahre im Wachkoma lag, sei ihr Pflegezustand „sehr gut“ gewesen, schätzte er während der Verhandung ein. Nicht das Koma sei die Ursache für ihren Tod gewesen, sondern eine Lungenentzündung. “ Ohne die Folgen des Sturzes wäre sie noch nicht verstorben“, so der Gutachter. Doch große Teile des Gehirns von Gerda G. waren nicht mehr funktionstüchtig, die Lungen minderbelüftet. „Da schließt sich der Kreis.“
„Wieso die Patientin stürzte, ließ sich nicht aufklären“, konstatierte Amtsrichter Eckardt. „Die Angeklagte trifft sicher eine gewisse Schuld. Aber eine Bestrafung bringt dem Sohn die Mutter auch nicht zurück.“ (*Name geändert.) Hoga
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