
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Schwimmbad-Bau als Theorie-Spiel
Nach Massenandrang Teilnehmerschwund am zweiten Werkstatt-Tag / Ergebnis der ersten Workshops: 26 „Variablen“
Stand:
Innenstadt – Eine Liste von 26 „Variablen“ für die Schwimmbadversorgung in Potsdam – das ist das Ergebnis des zweiten Werkstatt-Tages zu diesem Thema am Samstag im Hörsaal der Fachhochschule am Alten Markt. Bei den „Variablen“ handelt es sich um Schwimmbad-Kriterien wie Erreichbarkeit, Wirtschaftlichkeit, Familienfreundlichkeit und städtebauliche Qualität. „Wir müssen noch sehr viel konkreter werden“, sagt Wilhelm Brand, dessen Bielefelder Ingenieurgesellschaft „Constrata“ nach eigenem Bekunden bereits 60 Schwimmhallen geplant hat. „So etwas wie in Potsdam habe ich noch nicht erlebt “, sagt Brand zum Werkstatt-Verfahren. Und: „Ich sehe durchaus seine Vorteile.“
Die Beteiligung war gegenüber der Eröffnung am Freitag um fast 80 Prozent geschrumpft. Nach einer Zählung vor Beginn waren 52 „einfache Bürger“, darunter 17 Vertreter von Bürgerinitiativen, ferner 18 städtische Mitarbeiter, drei Politiker und neun Fachleute und Experten anwesend.
Für Stadtwerke-Geschäftsführer Winfried Böhme hat sich der Samstag gelohnt: „Erst hatte ich meine Zweifel, aber jetzt sehe ich, dass das Verfahren zu einem Ergebnis führen kann.“ Die Stadtwerke GmbH ist Bauherr der Schwimmhalle, die laut Beschluss der Stadtverordneten vom Januar 2010 neben der Biosphäre im Bornstedter Feld entstehen soll. Die Baukosten sollen sich auf 23 Millionen Euro belaufen. Der Stadtverordneten-Beschluss sei zwar nicht zurückgenommen, liege aber auf Eis, sagt Ralf Jäkel (Linke). Ebenfalls nicht gestoppt ist das Ausschreibungsverfahren der Stadtwerke. „Wir haben die Bindungsfrist für die zwei Bewerber, die noch im Verfahren sind, verlängert“, informierte Böhme gegenüber den PNN. Der Geschäftsführer sieht der Fortsetzung der Werkstatt am nächsten Wochenende mit Spannung entgegen. Dabei ist unklar, ob am Ende ein Votum für einen der Standorte Brauhausberg oder Bornstedter Feld herauskommt. Im März will die Verwaltung dazu eine Bürgerbefragung organisieren, deren Prozedere noch unbekannt ist. Der Verzicht auf einen Neubau im Bornstedter Feld würde eine europaweite Neuausschreibung für die Sanierung und Erweiterung am Brauhausberg erfordern.
Bekanntlich wollten die Stadtwerke die Erlöse aus Grundstücksverkäufen am Brauhausberg für das Schwimmbad verwenden. Die Rede war von zwölf Millionen Euro. Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg bezeichnete das am Rande der Werkstatt als Illusion. Seine Fraktion werde auf keinen Fall einer dichten Bebauung des Brauhausberges zustimmen.
Zehn Arbeitsgruppen hatten am Samstag die Variablen oder Kriterien erarbeitet, die Werkstatt-Leiterin Gabriele Haller am Ende zusammenfasste und den Teilnehmern ausgedruckt mit nach Hause gab. Der nächste Schritt am 20. Januar sei eine „Einflussmatrix des Systemmodells Potsdamer Badversorgung“, so die Fachsprache. Das Ganze beruht auf einem Managementsystem des Wirtschaftswissenschaftlers Fredmund Malik, dessen Beratungsunternehmen in St. Gallen durch die Stadt Potsdam engagiert wurde. Das Verfahren ähnelt einem theoretischen Spiel, zumal konkrete Aussagen zunächst außen vor blieben. „Mir ist das zu aufwendig“, sagt Scharfenberg. Stadtplanungschef Andreas Goetzmann äußert sich hingegen positiv über das Geschehen. „Ich finde es spannend.“ Das Ergebnis sei nach seiner Meinung völlig offen.
Die Bürgerinitiative Pro Brauhausberg, deren Aktionen für den Erhalt der Schwimmhalle die Verwaltung erst zum Werkstattverfahren und der Bürgerbefragung veranlasst haben, vertritt eine „Zwei-Bäder-Lösung“. Wie der Vorsitzende Thomas Hintze am Samstag sagte, setze sich die Initiative für ein Sportbad am Brauhausberg und ein Familienbad im Bornstedter Feld ein.
Steffen Burucker, Architekt aus Dresden, berichtete gegenüber den PNN über die anstehende Sanierung und Erweiterung der dortigen baugleichen Halle. Der Typenbau aus den 1970er Jahren wurde außerdem in Erfurt und Leipzig gebaut. Der Erstbau in Dresden stehe unter Denkmalschutz. Vorsichtig äußerte sich Burucker zu Potsdam. Er kenne die Details der Halle nicht, auf jeden Fall aber handele es sich um eine Bauweise der damaligen Gesellschaft, die erhaltenswert sei. Über die Kosten einer Sanierung, auch der in Dresden, könne er sich nicht äußern. In einer Expertenrunde der Werkstatt blieb die Kostenfrage ebenfalls unbeantwortet. Bad-Experte Brand erbot sich immerhin, dazu am nächsten Werkstatt-Wochenende Auskunft zu geben.
Die vollständige Liste der „Variablen“ findet sich im Internet unter www.potsdam.de auf der Seite „Top-Thema Badentscheidung 2012“.
Günter Schenke
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: