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Landeshauptstadt: Schwimmhalle bleibt das ganze Jahr geschlossen

Jakobs räumt Versäumnisse bei früherer Sanierung ein / Schulschwimmen künftig Am Stern / Lösung für Vereine und Badegäste gesucht

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Schwimmen am Brauhausberg wird in diesem Jahr nicht mehr möglich sein. Darauf legte sich Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) gestern fest. Daher soll das Schulschwimmen ab dem morgigen Mittwoch in der Schwimmhalle Am Stern durchgeführt werden. Lösungen für die 47 Vereine mit Schwimmzeiten sollen in den nächsten Tagen erarbeitet werden, sagte der Oberbürgermeister. Dazu wolle sich die Verwaltung auch mit anderen Hallenbetreibern in umliegenden Städten wie Berlin und Brandenburg (Havel) in Verbindung setzen, um Ausweichmöglichkeiten für den Vereinssport zu schaffen.

Die Hallenzeiten in der Stern-Schwimmhalle sollen zudem erweitert werden, um den Bedarf zumindest teilweise abfangen zu können, erklärte Stadtwerkechef Peter Paffhausen gestern. An eine Öffnung der zum Großteil mit Bundesmitteln für den Leistungssport geförderten Schwimmhalle am Luftschiffhafen sei derzeit jedoch nicht gedacht, hieß es aus der Verwaltung. Zudem werde das öffentliche Baden in Potsdam künftig wegen fehlender Kapazitäten eingeschränkt sein.

Das für Sportbäder zuständige Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat nach Bekanntwerden der Einsturzgefahr der Potsdamer Brauhausberghalle noch nicht reagiert. Es gebe ja mit dem Niemeyer-Freizeitbad bereits Planungen für eine neue Schwimmhalle. So lange es zu diesen keine Entscheidung gebe, werde man abwarten, sagte Sprecher Thomas Hainz gestern den PNN. „Dass das Sportministerium eine neue Halle bauen soll, ist uns nicht bekannt“, so Hainz. Auf die Forderung der Potsdamer SPD-Fraktion nach einem Übergangsbau sagte der Sprecher, er könne sich kaum vorstellen, dass dies möglich sei. Sollte das Schulschwimmen nicht abgesichert werden können, solle Potsdam mit Umlandgemeinden über Kapazitäten in Schwimmbädern sprechen und die Schüler mit dem Bus dorthin fahren. Dies sei wohl günstiger, als übergangsweise eine Schwimmhalle mit komplizierter Technik zu errichten.

Die Mängel an der Schwimmhalle Brauhausberg sind laut Paffhausen nach einer turnusmäßigen Überprüfung entdeckt worden. Hatte ein Gutachten aus dem Sommer dem Hallendach der Schwimmhalle keine großen Mängel bescheinigt, sei nach einer ersten Tiefenprüfung in der vergangenen Woche die Statik des Typenbaus neu berechnet und als „hart an den Grenzwerten“ bezeichnet worden. Der zuständige Ingenieur Norbert Seidel sagte, die Halle drohe nicht sofort einzustürzen, doch bestehe ein Risiko, dass die Sicherheit der Badegäste nicht mehr gewährleistet sei. Er erklärte, die Muttern an zehn der zunächst elf untersuchten Stahlträgerköpfe seien zur Hälfte durchgerostet. Die ursprünglich berechnete Traglast von bis zu 160 Tonnen pro Stütze für das Dach samt der Wettereinflüsse wie Schnee sei daher nicht mehr erreichbar. Nun sollen die Stahlträger an der dem Landtag zugewandten Seite der Halle untersucht werden. Seidel vermutet weitere kritische Punkte, die derzeit noch nicht sichtbar seien. Er geht davon aus, dass die Halle saniert werden kann. Die heute zu bemängelnden Stahlteile an der Tragwerkkonstruktion seien bei der Sanierung des Hallendachs unter Regie der Stadt im Jahre 1992 wahrscheinlich nicht untersucht worden. „Im Nachhinein gesehen war es ein Fehler, damals nicht in die Kästen geguckt zu haben“, sagte Jakobs gestern. Verwunderlich sei jedoch, dass tragende Stahlteile nicht ebenso wie die Dachseile einbetoniert und somit isoliert waren, um einer Durchrostung vorzubeugen. Nun müsse geprüft werden, ob die Halle abgerissen werden müsse oder saniert werden kann und ob dies günstiger sei als ein Neubau. Ursprünglich rechneten die Stadtwerke als Halleninhaber mit Kosten von zirka 7,5 Millionen Euro für die Komplettsanierung, zuletzt wurden die Kosten mit drei Millionen Euro angegeben. Laut Paffhausen habe es sich dabei um Verschönerungsarbeiten im Zuge des Baus des Niemeyer-Bads gehandelt. Zu den jetzt entstehenden Kosten konnte Paffhausen noch nichts sagen.

Jakobs hat sich gestern unterdessen in einem Schreiben an seine Amtskollegen in Dresden, Erfurt und Leipzig gewandt, um die Potsdamer Situation zu schildern. Denn in den drei Städten stehen bauähnliche Hallen wie die am Brauhausberg. Die Leipziger Halle in der Mainzer Straße wurde noch gestern Nachmittag von Experten untersucht, die nach erstem Augenschein Entwarnung geben konnten, sagte Kerstin Kirmes, Sprecherin der Stadt Leipzig. Es gebe wohl in der Dachverbindungskonstruktion eine Abweichung zur Potsdamer Brauhausberg- Halle. Laut Ingenieur Seidel wurde in Potsdam ein Stahl verwendet, der den geringsten Veredelungsgrad für Spannstahl aufweise. Er habe sich die Baupläne für den 1967 entwickelten Hallentypen angeschaut, könne diesen jedoch wegen verschiedener Veränderungen nicht unnachgefragt glauben. Die Untersuchungen in Leipzig sollen unterdessen heute ebenso wie in Potsdam fortgeführt werden. Kirmes sagte, die Stadt Leipzig sei „Potsdam sehr dankbar“ für die prompte Benachrichtigung.

In Erfurt ist die Süd-Schwimmhalle betroffen. Deren Leiterin Kathrin Knabe- Lange war gestern Nachmittag noch nicht von der Warnung informiert. Noch gestern wollten allerdings die Verantwortlichen des Badbetreibers, der Thüringer Freizeit- und Bäder GmbH, über die Lage beraten. Knabe-Lange sagte, das Erfurter Bad sei erst 1999 nach Sanierung wieder in Betrieb gegangen. Damals sei ihres Wissens nach auch das Dach samt Stahlkonstruktion überprüft worden; das Dach habe eine neue „Haut“ bekommen. In Sachsens Landeshauptstadt Dresden war gestern Nachmittag noch nicht klar, ob sofort Untersuchungen der betroffenen Halle eingeleitet werden. Heute soll über Konsequenzen aus dem Potsdamer Vorfall beraten werden. Eine ähnliche Hallenkonstruktion ist in den 1980er Jahren in Österreich eingestürzt.

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