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Aus dem GERICHTSSAAL: Sechs Monate Haft für „blauen“ Pedalritter

Gericht: Günstige Sozialprognose beim besten Willen nicht zu begründen

Stand:

Die Staatsanwältin plädiert auf neun Monate Haft. Amtsrichterin Kerstin Devriel urteilt nicht gar so streng, schickt Frank F.* (47) „nur“ für sechs Monate ins Gefängnis. Der Potsdamer blickt geschockt. Damit hatte er offenbar nicht gerechnet.

Frank F. hat keinen Menschen niedergeschlagen. Er hat keine Autos geknackt oder rechte Parolen gegrölt. Der Ein-Euro-Jobber wurde am Abend des 10. Mai in Babelsberg von der Polizei mit 2,49 Promille auf seinem Fahrrad erwischt. Wäre er zum ersten Mal „blau“ gefahren, wäre er vor Gericht sicher auch mit einem blauen Auge davongekommen. Doch Frank F. scheint unbelehrbar. Acht Eintragungen weist sein Bundeszentralregister auf. Die erste lautet auf Sachbeschädigung. Dann reihen sich Trunkenheitsfahrten wie Perlen an einer Kette aneinander. Auf Geldstrafen folgten Freiheitsstrafen, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Zuletzt saß der ewig Durstige 2007 auf der Anklagebank, kassierte fünf Monate – diesmal ohne Bewährung. Die Weihnachtsamnestie bescherte ihm nach zwei Dritteln hinter Gittern die Freiheit. Allerdings soll er sich bis zum 26. November 2011 gesetzestreu führen. Doch noch immer schmeckten Frank F. Bier und Korn besser als Mineralwasser und Apfelschorle. Und gewohnheitsmäßig schwang er sich erneut in den Sattel seines Drahtesels.

„War es in der JVA nicht beeindruckend genug? Warum machen Sie ständig so weiter?“, wundert sich die Vorsitzende. „Wenn ick det wüsste, Frau Richterin“, antwortet Frank F. treuherzig. „Eigentlich hat es mir jereicht.“ Doch er sei an jenem Maitag zum Geburtstag bei einem Kumpel in Babelsberg eingeladen gewesen. Bei dem habe er auch übernachten wollen. „Aber dann jab et Ärger mit die Leute. Da bin ick eben nach Hause jefahren.“ „Bis zu Ihrer Wohnung Am Schlaatz hätten Sie laufen können. Das wäre ein schöner, kleiner Spaziergang gewesen“, merkt Richterin Devriel an. „Und Sie wären auf der sicheren Seite gewesen.“ Apropos sicher: Die bei der Blutentnahme obligatorischen Tests (Geradeauslaufen, plötzliche Kehrtwendung) absolvierte der Angeklagte mit Bravour. Der Arzt attestierte ihm sogar ein normales Befinden sowie einen geordneten Denkablauf. „Ick weiß, det ick so nich weitermachen kann“, betont Frank F. Deshalb nähme er jetzt an einer ambulanten Gesprächstherapie teil, um den Teufel Alkohol zu besiegen. Seine Einsicht kommt allerdings zu spät.

„Ihr Geständnis ist das einzige, was man Ihnen zugute halten kann“, resümiert die Vorsitzende. „Ich weiß beim besten Willen nicht, womit ich bei Ihnen eine günstige Sozialprognose begründen könnte. (*Namen von der Redaktion geändert.) Hoga

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