
© Andreas Klaer
Skandal am Luftschiffhafen: Sechs Vierzigtonner zu viel
Auf der einsturzgefährdeten Leichtathletikhalle lastet ein enormes Zusatzgewicht – statisch geprüft wurde das nie.
Stand:
Der Baupfusch an der seit vier Monaten wegen Einsturzgefahr gesperrten Leichtathletikhalle am Luftschiffhafen ist noch gravierender als bisher angenommen. So wurde schon bei einer noch länger zurückliegenden Sanierung die alte Dachpappe nicht abgenommen, sondern einfach durch die neue überdeckt. Dies geht aus einem von der Stadt in Auftrag gegebenen Gutachten hevor. Insgesamt liegen aktuell auf der Leichtathletikhalle also drei Schichten Dachpappe – statt wie in der Statik vorgesehen eine.
Der Gutachter habe dies festgestellt, indem er an mehren Stellen des Daches Proben genommen habe, erklärte Potsdams Rechtsamtschefin Karin Krusemark. Sie leitet gemeinsam mit dem städtischen Rechnungsprüfer Christian Erdmann eine Kommission zur Aufklärung des Baupfuschs. Dabei habe der Gutachter entdeckt, dass unter der oberen Dachpappe aus Bitumen noch mehrere alte lagen. Laut Krusemark errechnete der Sachverständige so eine Überlastung des Daches um 0,26 Kilonewton pro Quadratmeter – im Vergleich zu den Werten, die für die Berechnung der Statik angenommen wurden. Umgerechnet würde dies eine zusätzliche Belastung von ungefähr 26 Kilogramm pro Quadratmeter bedeuten. Für das ganze 9000 Quadratmeter große Dach ergibt sich so ein Wert von 234 Tonnen – also in etwa sechs Vierzigtonner.
Diese zusätzliche Last hätte 2001, als das Dach der Sporthalle zuletzt saniert wurde, berücksichtigt und eine neue Statik angefertigt werden müssen, sagte Krusemark. Aus Sicht der Stadt hätte dies der mit der Sanierung beauftragte Generalplaner tun müssen. Gleichzeitig räumten sie und Erdmann ein, dass die Stadt damals mitbekommen habe, dass die alte Pappe nur überdeckt wurde. Dies gehe aus einem Protokoll hervor, das bei einer Baustellenbesichtung angefertigt wurde. Darin stehe, dass der Generalplaner, die Dachdeckerfirma und der Bauleiter des städtischen Hochbauamts sich darauf geeinigt hätten, so vorzugehen. Grund waren wie berichtet Einsparungen von rund einer halben Million Euro. Bislang hatte dieses Dokument als unauffindbar gegolten. „Wir haben uns noch mal zwei Tage eingeschlossen und es dann an anderer Stelle gefunden“, erklärte Erdmann nun.
Obwohl jetzt klar ist, dass der städtische Bauleiter Bescheid wusste, sehen Krusemark und Erdmann aber keine Schuld bei der Stadt. Die Verwaltung habe damals die Sanierung an einen erfahrenen Generalplaner gegeben, gerade weil es sich um ein so kompliziertes Gebäude handele. Die Stadt habe sich auf den Sachverstand des Unternehmens verlassen. Klären muss diese Schuldfrage letztlich das Gericht: Bereits im Dezember hatte die Stadt vorsorglich Klage gegen die Generalplaner Krawinkel und Blöcher aus Nordrhein-Westfalen eingereicht. Diese hätten bereits eine sogenannte Verteidigungsanzeige getätigt, sagte Krusemark – mit anderen Worten: Die Unternehmer wollen sich gegen den Vorwurf wehren. Wann das Verfahren beginnt, ist aber noch völlig offen. Sollte die Stadt Recht behalten, könnte sie dem Generalplaner unter anderem die nun entstehenden Sanierungskosten in Rechnung stellen.
Anders sieht es bei der ebenfalls seit Dezember gesperrten Schwimmhalle daneben aus. Für diese gibt es eine gültige Statik, allerdings sind dort die Knotenpunkte, an denen das Dach an Stahlstäben aufgehängt ist, verrostet. Diese werden derzeit erneuert, wie die technische Geschäftsführerin der Luftschiffhafen GmbH (LSH), Petra Runge, am Mittwochabend im Hauptausschuss sagte. Anschließend muss noch geklärt werden, ob die Stahlstäbe beziehungsweise -seile stabil genug sind, das Dach zu tragen. Dies soll ein Gutachten klären, das im April vorliegen soll. Die Luftschiffhafen GmbH geht nach PNN-Informationen intern davon aus, dass die Stäbe zu 90 Prozent stabil sind. In dem Fall könnte die Schwimmhalle Ende Mai wieder eröffnet werden. Allerdings könnte es während des laufenden Betriebs noch zu Einschränkungen kommen, hieß es von der LSH – etwa, wenn eine Sanierung der Betonteile der Halle anstehen sollte.
Auch die Leichtatlethikhalle soll im besten Fall noch 2014 wieder geöffnet werden, im November. Allerdings ist noch unklar, ob das Dach zuvor komplett ausgetauscht werden muss. Derzeit werde eine Statik anhand der nun bekannten tatsächlichen Traglast berechnet, sagte Erdmann. Theoretisch möglich sei auch, dass das Dach trotz allem tragfähig sei.
Für die Sanierung der beiden Sporthallen haben die Stadtverordneten Ende Januar fünf Millionen Euro genehmigt. Die Stadt hofft, das Geld eines Tages vom Generalplaner einfordern zu können – falls sie den Prozess gewinnt. Eine Haftpflichtversicherung habe dieser damals abgeschlossen, sagte Krusemark. Das sei gut, schließlich „zahlt ein Unternehmen fünf Millionen nicht aus der Portokasse“. Allerdings wisse sie nicht, wie hoch die Deckungssumme sei. (mit HK)
HINTERGRUND
Zu den von den Hallenschließungen besonders stark Betroffen gehören die Schüler der Elite-Sportschule „Friedrich Ludwig Jahn“. Dort blickt man mittlerweile wieder deutlich optimistischer als noch am Beginn der Misere am Luftschiffhafen in die Zukunft. So geht der Direktor der Schule, Rüdiger Ziemer, davon aus, dass es im kommenden Schuljahr wie geplant einen kompletten fünfzügigen Jahrgang geben werde. Er hatte noch zu Beginn der Hallenkrise die Sorge, dass sich Interessenten angesichts der unklaren Trainingsbedingungen gegen Potsdam entscheiden könnten. Entscheidungen potenzieller Schüler gegen seine Einrichtung seien ihm nicht bekannt, so Ziemer nun gegenüber den PNN. Als Reaktion auf die Sperrungen seien etwa die Kapazitäten der Trainingslager erweitert worden. „Die Wettkampfergebnisse im Sommer, werden zeigen, ob die Maßnahmen ausreichend waren.“ (HK)
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