zum Hauptinhalt
Kommunizierende Röhren. Mithilfe von Lichtteilchen können Quantenphysiker in einem Netzwerk zwischen zwei Knotenpunkten Daten übertragen. So lässt sich ein komplett abhörsicheres Computernetnetzwerk schaffen.

© dpa

Quantenphysik in Potsdam: Sehr klein und unglaublich schnell

Das 20. Leibniz-Kolleg an der Universität Potsdam befasst sich mit der ultraschnellen Quantenwelt.

Stand:

Es gibt sie: Teilchen, die so klein sind, dass sie selbst durch ein Mikroskop nicht gesehen werden können. Elektronen, die sich wie Wellen verhalten und sich bei ihrer Überlagerung verstärken oder abschwächen. Photonen, die im Ruhezustand masselos sind. Wenn die Gesetze der „klassischen Physik“, wie Isaac Newton sie geprägt hat, nicht mehr ausreichen, um die Bewegung solcher Teilchen korrekt zu erfassen und ihre Position im Raum nur mit Wahrscheinlichkeiten angegeben werden kann, sind wir angekommen in der Welt der Quanten. Die kleinsten Teilchen mit größter Geschwindigkeit – die ultraschnelle Quantenwelt – ist Thema des 20. Leibniz-Kollegs, das vom 11. bis 13. Mai an der Uni Potsdam stattfindet.

Die Quantenwelt ist klein, und die Quantenwelt ist schnell. Für Markus Gühr, Physikprofessor an der Universität Potsdam sind dies die beiden Hauptmerkmale jener Phänomene auf der Ebene von Molekülen, Elektronen und Photonen, die sich mit der klassischen Physik nicht erklären lassen. Was mit diesen „sehr kleinen, sehr schnellen Sachen“, den Quanten, passiert, beschreibt die Quantenmechanik. Und auch wenn das Wort „Quant“ – ein Objekt, das durch einen Zustandswechsel in einem System erzeugt wird – uns im Alltag eher selten begegnet, tun es quantenmechanische Prozesse allemal: „Moleküle machen viel für uns“, erklärt Markus Gühr. Ohne sie kann der Mensch gar nicht existieren. Sehen ist beispielsweise nur durch die Änderung chemischer Bindungen von Molekülen in den sogenannten Stäbchen des Auges möglich.

Ohne Moleküle würde der Mensch gar nicht existieren

Diese Änderung wird dabei durch die Umsetzung der Energie des einfallenden Lichtes bewirkt. Ohne die quantenmechanische Betrachtung der kleinsten Teilchen in Licht und Auge wäre der Sehprozess nicht zu verstehen. Die Photonen des Lichtes regen hierbei die Elektronen im Retinal, dem lichtempfindlichen Bestandteil des Rhodopsin-Moleküls im Auge, an – daraufhin ändert sich dessen Struktur. So kann das Lichtsignal in ein elektrochemisches Signal umgewandelt und im Gehirn weiter verarbeitet werden.

Während die Wechselwirkung von Licht und Molekülen für das Sehen also wichtig ist, kann sie an anderer Stelle im Körper dagegen schädlich sein, erklärt Gühr. Hochangeregte Elektronen im Thymin, einer Base des menschlichen DNS-Strangs, könnten demnach chemische Bindungen mit benachbarten Thymin-Molekülen eingehen. Dadurch würde die DNS geschädigt, so der Physiker. Die Energie erhalten die Elektronen durch die Absorption des Lichtes, zum Beispiel beim Sonnen. Allerdings reguliere das Thymin das Risiko einer Schädigung der DNS, indem es die Elektronen wieder „abrege“.

Wie schnell Quanten eigentlich sind, konkretisiert Gühr an einem Beispiel: Die Vibration verbundener Atomkerne in einem angeregten Molekül etwa liege im Bereich einiger Femtosekunden – das entspricht etwa einer Billiarde Schwingungen pro Sekunde. Dem Physiker zufolge sei es dementsprechend nicht ganz leicht, diese Bewegung genauer zu untersuchen. Das „instantane Einfrieren“ der Bindungsvibration, also ein „scharfer Schnappschuss“ der Bewegung, würde mit einer herkömmlichen Kamera niemals gelingen. Man denke nur daran, wie leicht bereits eine Fotoaufnahme eines vorbeifahrenden Autos verwischen kann. Für das Erfassen der Bewegung sind daher sehr kurze Laserblitze von nur wenigen Femtosekunden nötig.

Kenntnisse aus der Quantenmechanik werden auch zum Verschlüsseln von Nachrichten benutzt

Die Erforschung der Quantenwelt erbringt auch konkrete Anwendungen hervor. Viele moderne Technologien lassen sich nur quantenmechanisch erklären, erläutert Gühr. Die Daten einer CD oder DVD beispielsweise werden mithilfe eines Laserstrahls ausgelesen, der auf den Prinzipien der Quantenmechanik beruht. So könnten die Kenntnisse über Quanten und über ihre Eigenschaften auch zur Entwicklung besserer Festplatten und Computer beitragen – bis hin zur Verschlüsselung und Übertragung von Nachrichten.

Auch im Bereich der Energiegewinnung finden quantenmechanische Prozesse Anwendung. So mache man sich etwa in Solarzellen zunutze, dass die Energie des absorbierten Lichtes in elektrische Energie umgesetzt wird. Effizient sind hierbei sogenannten „Dye-sensitized Solar Cells“. Die dafür verwendeten Moleküle sind aus einem Metall und aus organischen Stoffen wie Kohlenstoff aufgebaut. Das Metall Ruthenium im Inneren des Moleküls absorbiert das Licht aus dem sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums besonders gut. Weitaus weniger gut würde das mit Eisen funktionieren, so Gühr.

Zum diesjährigen Leibniz-Kolleg sind auch Schüler und Fachfremde eingeladen - Quantenphysik soll jeder verstehen können

Unter welchen Bedingungen man das Ruthenium doch durch Eisen ersetzen könne, das in der Natur viel häufiger vorkommt als Ruthenium, erforscht zurzeit Majed Chergui. Der Professor von der École polytechnique fédérale de Lausanne wird am 12. Mai an der Universität Potsdam den Hauptvortrag des diesjährigen Leibniz-Kollegs halten. Themen dieses Kolloquiums sind die Umsetzung von Lichtenergie in andere Energieformen, wofür sich der Gastsprecher aus Lausanne besonders interessiert, und weitere Phänomene der „ultraschnellen Quantenwelt“.

Die Vorträge der Referenten, unter ihnen Peter Saalfrank, Matias Bargheer und Markus Gühr – alle Professoren an der Uni Potsdam, richten sich dabei auch an die Öffentlichkeit. Gerade an dem ersten Tag des insgesamt drei Tage dauernden Kolloquiums wird das Niveau so gehalten, dass auch Schülern der Einstieg in die Quantenwelt gelingt. „Wir wollen das vorsichtig machen“, sagt Gühr.

Das Programm:

http://www.pnn.de/campus/1074119/

Merle Janssen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })