Landeshauptstadt: Selbst die Lupinen gingen ein
Wie die Gärtner dem Neuen Garten nach der Wende das Gesicht zurückgaben
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Wie die Gärtner dem Neuen Garten nach der Wende das Gesicht zurückgaben Von Erhart Hohenstein Als Ende 1989 die Mauer fiel, bestand die früher dicht bewaldete Halbinsel Quapphorn aus einer kahlen Fläche, durch Todesstreifen, Betonmauer, Kolonnenweg und Metallzaun verunstaltet. Nicht allein, dass die Bäume und Sträucher komplett gerodet worden waren, durch massiven Einsatz von Herbiziden wurde auch jeglicher Neuaufwuchs unterbunden. Diese Situation erläuterte der für den Neuen Garten zuständige Kustos Gerd Schurig bei einer von der URANIA veranstalteten Wanderung. Er führte durch das 13 Hektar große Gebiet des insgesamt 102 Hektar einnehmenden Weltkulturerbeparks, das von 1963 bis 1989 als Teil des DDR-Grenzgebietes schwersten Schädigungen ausgesetzt war. Diese Schäden, aber vor allem die in der Öffentlichkeit wenig beachteten Leistungen der Gärtner bei der Rückführung der im Grenzgebiet liegenden Parkbereiche auf ihren originalen Zustand werden erstmals in der diesjährigen Hauptausstellung der Schlösserstiftung, „Preußisch Grün“, detailliert dargestellt und gewürdigt. Für die Besucher wurden in den Parks Babelsberg, Sacrow und Neuer Garten Informationstafeln installiert, die u.a. Fotos von 1990 und 2004 gegenüberstellen. Vorgesehen war dazu auch eine Publikation, die allerdings bei Halbzeit der Ausstellung noch immer nicht erschienen ist. Als nach Abbau der Grenzanlagen 1990 das Quapphorn wieder bepflanzt werden sollte, gingen selbst die als Gründung vorgesehenen Lupinen ein, wenn ihre Wurzeln in 30 cm Tiefe die mit Herbiziden vergiftete Erdschicht erreichten. Mit den flachwurzelnden Pflanzen Seradella und Bienenfreund hatten die Gärtner dann mehr Glück. Wegen des vergifteten Bodens mussten die Pflanzlöcher extra groß ausgehoben werden – insgesamt 10 000 an der Zahl! Sie brauchten eine übernormale Menge Humus und Dünger; die gesamte Halbinsel musste mit Rindenmulch belegt werden. Auch heute bietet der Grenzstreifen noch nicht wieder das originale Bild, doch die jungen Gehölze wachsen heran und schließen die Lücken. Wiederhergestellt ist inzwischen die Lennésche Führung der Wege, die von jeder Biegung überraschende Blicke auf Heiligen und Jungfernsee, auf das Marmorpalais, die Gotische Bibliothek, bis zur Nikolaikirche oder die Pfaueninsel öffnen. Auch sie waren unter den Grenzbefestigungen verschwunden und mussten mühsam mit Hilfe alter Pläne und durch Suchgrabungen aufgespürt werden. Der Gartendenkmalpfleger, der dem Park schon seit der DDR-Zeiten die Treue hält, wusste seinen Zuhörern einige hübsche Histörchen zu erzählen. Der sechs Meter hohe Zaun, der den Besuchern am Schloss Cecilienhof den Blick auf die Grenzsicherungsanlagen verwehrte, musste zum Beispiel plötzlich berankt werden. Grund war ein Besuch des UNO-Generalsekretärs Kurt Waldheim, der keinen negativen Eindruck mitnehmen sollte. Die Grenzer hatten aber auch hier so kräftig Pflanzengifte angewendet, dass die Rankepflanzen einfach nicht wuchsen. Eines Tages erhielten die Parkgärtner den Auftrag, einige Bäume zu fällen, weil sie die Grenzanlagen gefährdeten. Dazu wurde ihnen eine Zutrittsberechtigung für das Grenzgebiet erteilt. Der listige Parkchef Otto Raudensky brauchte für die Arbeiten lange 14 Tage – er ließ nämlich Bäume, die in einer Lennéschen Sichtachse aufgewachsen waren, ungefragt gleich mit entfernen. So haben die Gärtner selbst in einer Zeit, als im Grenzstreifen keine Pflegearbeiten möglich waren, immer an die Erhaltung und Wiederherstellung des von Eyserbeck ab 1787 angelegten und von Lenné Mitte des 19. Jahrhunderts in seine endgültige Gestaltung gebrachten Parks gedacht.
Erhart Hohenstein
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