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Landeshauptstadt: Selbst DJ „Butze“ ist ein Eigengewächs

Die „Sternschanze“ – ein Kleingartenverein im Jagdgebiet des Großen Kurfürsten

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Die „Sternschanze“ – ein Kleingartenverein im Jagdgebiet des Großen Kurfürsten Von Erhart Hohenstein Boskop, Gravensteiner und Bauernpflaume – solche schönen alten Obstsorten kann man noch heute im Garten von Lothar Rittel finden. Indianernesseln, Agapanthus mit hoch aufragenden blauen Blütenstielen, Riesensonnenblumen und viele andere vertreten die Blumenwelt. Die Stabtomaten tragen ein Schutzdach, und auch das Gewächshaus verrät, dass hier ein gestandener Kleingärtner am Werke ist. Schon seit 1969 bewirtschaftet Rittel seine Parzelle im Verein „Sternschanze“; intensiv darum kümmern kann er sich aber erst im Ruhestand. Zuvor ließ ihm seine Tätigkeit als Produktionsdirektor des damals größten Potsdamer Betriebes, des Karl-Marx-Werkes, wenig Zeit dafür. Seit der Vorstandswahl im Jahr 2000 hat er nun auch die Zügel des Vereins als Vorsitzender in die Hand genommen. Dank seines Organisationstalents und seiner Hartnäckigkeit hat er mit dem siebenköpfigen Vorstand, darunter drei Frauen, seitdem manches Problem gelöst. So setzte er durch, dass die vom Meteorologischen Dienst zur einstigen Kinderkrippe Paetowstraße führende Fernwärmeleitung, deren schadhafte Glaswolleisolierung in die Gärten flog, endlich abgebaut wurde. Dank dieses Erfolges konnte er seinerseits stärkeren Druck auf Mitglieder ausüben, die Unrat im angrenzenden Forstrevier ablagerten. Inzwischen sind auch die Waldbäume, wie vom Bundeskleingartengesetz gefordert, von den Parzellen verschwunden. Eine ältere Pächterin ging mit gutem Beispiel voran und trennte sich, wenngleich schweren Herzens, von einer Tanne, die sie einst aus Anlass der Geburt ihrer Tochter gepflanzt hatte. Die Parzellen sind gut gepflegt und artenreich bebaut, wozu der 78-jährige Fachberater Gerhard Langer wesentlich beiträgt. Bei Kartoffeln gibt es in diesem Jahr eine Rekordernte. Seit 2001 steigt jährlich wieder ein Sommerfest, wie es bis in die 80er Jahre üblich war. Dafür nutzen die Pächter der insgesamt 85 Parzellen eine geräumige, vorbildlich gepflegte Festwiese mit Kinderspielplatz. Für ihre Feste brauchen die Kleingärtner keine fremde Hilfe. Sie grillen selbst, sie backen selbst, sie zapfen das Bier. Diskjockey „Butze“ kommt ebenso aus dem eigenen Verein wie der Harmonikaspieler, der den Lampionumzug der Kinder anführt. Nur die Partyzelte werden noch ausgeliehen, doch auch da möchte Lothar Rittel eigene anschaffen. Vielleicht schafft er es bis 2007, wenn der Verein sein 75-jähriges Bestehen feiert. 1932 wurden die ersten Kleingärten angelegt, nachdem sich das Vorhaben der Stadtplaner zerschlagen hatte, im Waldgebiet östlich und westlich der Michendorfer Chaussee „Wald-Potsdam“ zu bauen, eine Gartenstadt für 29 000 Bewohner. In der Höhe des Brauhausberges erinnern am Finkenweg einige Bauten daran, und an der Chaussee zeigt Lothar Rittel Reste des Damms, auf dem die damals bis zum Schützenhaus „Ravensburg“ führende Straßenbahnlinie nach Caputh verlängert werden sollte. Ab Ende der 40er Jahre wuchs die Kleingartenanlage weiter in das Waldgebiet der Sternschanze hinein. Ältere Mitglieder erinnern sich noch, wie damals ihre Eltern die Stubben der gefällten Eichen ausbuddelten. Dadurch entstanden am Berghang Gärten, von denen sich ein schöner Blick auf Potsdam bis hinüber zum Belvedere Pfingstberg öffnet. Ihren Namen hat die Sternschanze von den sternförmig in den Wald geschlagenen Schneisen, auf denen man dem Wild leichter nachstellen konnte. Im 17. Jahrhundert diente das Gebiet nämlich dem Großen Kurfürsten als umfriedeter Tiergarten für die Jagd.

Erhart Hohenstein

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