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Landeshauptstadt: Selbst im Grab nicht gleich

Geteilte Ehrung der Kriegsopfer am Volkstrauertag / Kampagne organisierte Sonderveranstaltung

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Geteilte Ehrung der Kriegsopfer am Volkstrauertag / Kampagne organisierte Sonderveranstaltung Auch in diesem Jahr gab es in Potsdam einen „geteilten“ Volkstrauertag. Dem Gedenken der Stadt und des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge am Sowjetischen Soldatenfriedhof Bassinplatz und an der Kriegsgräberstätte auf dem Neuen Friedhof setzte die Kampagne gegen Wehrpflicht eine Veranstaltung am Gedenkstein für die 300 in Potsdam während der Nazizeit verstorbenen Zwangsarbeiter entgegen. Wie im Vorjahr hatte sie über die Stadtverordnetenfraktion „Die Andere“ vergeblich versucht, einen Zeitzeugen auf die Rednerliste zu bringen. Die Stadt hielt an ihrer Konzeption fest, die Gedenkansprache einem Botschafter zu übertragen. In diesem Jahr übernahm dies Ján Foltin, der Leiter der Vertretung der Slowakischen Republik in Deutschland. In der großen Trauerhalle auf dem Neuen Friedhof sprach er sich für die Ehrung aller Kriegsopfer aus, sowohl der Soldaten und Bombentoten wie auch der KZ-Häftlinge, Juden, Zwangsarbeiter und anderen vom NS-Regime verfolgten Gruppen. Einbezogen werden sollten auch die ermordeten Widerstandskämpfer, die als „Soldaten ohne Waffen“ den Grundstein für die heutigen, durch Freiheit und Demokratie bestimmten Verhältnisse in Europa gelegt hatten. Foltin würdigte das zwischen der Slowakei und Deutschland getroffene Abkommen, das gegenseitig die Pflege der Kriegsgräberstätten aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg sichert. Auch auf der Veranstaltung der Kampagne trat ein slowakischer Gast als Gedenkredner auf: Adolf Burger. Der heute 87-Jährige war nach seiner Verhaftung 1942 durch die Hölle von Auschwitz gegangen und dann als gelernter Typograph im KZ Sachsenhausen einem Geldfälscherkommando zugeteilt worden, das Banknoten der Kriegsgegner fälschte, um deren Wirtschaft zu destabilisieren. Burger, der Tausende Menschen qualvoll sterben sah, warnte eindringlich vor dem Wiedererstarken nazistischer Kräfte. Gestern Nachmittag stellte er in der Buchhandlung „Sputnik“ die neue, erweiterte Auflage seines Lebensberichtes vor, der unter dem Titel „Des Teufels Werkstatt“ erstmals 1985 im Verlag Neues Leben erschienen war. Die Ansprache des 83-jährigen Ludwig Baumann, einem der etwa 30 noch lebenden Wehrmachtsdeserteure, machte den Hintergrund für die Sonderveranstaltung der Kampagne deutlich. Der Vorsitzende der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz lehnt einen Volkstrauertag für alle Kriegsopfer ab. Zwischen den Soldaten, die Hitler folgten, und den vom nationalsozialistischen Regime verfolgten Opfergruppen müsse auch an einem solchen Tag differenziert werden. Deutschland brauche eine „Gedenkstättenpolitik“, die klar zwischen Opfern und Tätern unterscheidet. An der Veranstaltung nahm unter anderen die PDS-Landtagsabgeordnete Anita Tack teil, ihr Kollege Hans-Jürgen Scharfenberg dagegen an der offiziellen Ehrung. Sie hatte auf dem Sowjetischen Soldatenfriedhof Bassinplatz begonnen. Dort sprach Oberbürgermeister Jann Jakobs Worte des Gedenkens. Kränze wurden auch durch das Verteidigungsbezirkskommando der Bundeswehr und die Jüdische Gemeinde niedergelegt. Am Rande der Veranstaltung kündigte der Stadtverordnete Eberhard Kapuste (CDU) gegenüber den PNN an, dass er in den von ihm geleiteten Kulturausschuss den Antrag einbringen will, am Friedhof eine Tafel mit der deutschen Übersetzung der kyrillischen Grabsteininschriften aufzustellen. Sie solle zur Information und zum Verständnis für die Schicksale der dort Bestatteten beitragen. Ein vor drei Jahren aus den alten Bundesländern zugezogener Potsdamer, der anonym bleiben möchte, hat die Finanzierung zugesagt. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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