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Aus dem GERICHTSSAAL: Selbstjustiz geübt

200 Euro Ordnungsgeld für nicht präsentes Opfer

Stand:

„Wir haben uns unberechtigterweise als moralische Instanz aufgespielt“, verliest Rechtsanwalt Volker Wiedersberg im Namen seines Mandanten Niklas N.* (21). Der fände die Sache im Nachhinein „schrecklich blöd“. Der Staatsanwalt nennt „die Sache“ ein Verbrechen. Es geht immerhin um Raub. Niklas N., Sebastian S.* (20) und ein unbekannt gebliebener Mittäter sollen am 4. Dezember 2005, kurz nach Mitternacht, in die Wohnung eines vermeintlichen Drogenhändlers namens Louis L.* im Zentrum-Ost eingedrungen sein, nachdem dieser die Tür öffnete. Danach soll das Trio unter der Drohung, ihn aufzuschlitzen, falls er sich nicht ruhig verhalte, Computer, Digitalkamera, Handy, MP 3-Player, mehrere DVDs und eine Luftdruckpistole mitgenommen haben.

Gewalt sei nicht im Spiel gewesen, versichert Niklas N. in seiner Erklärung. Nach dem Konsum von Bier und Haschisch in der Wohnung seines Kumpels Sebastian S. sei man auf die Idee gekommen, dem Dealer Louis L. auf die Bude zu rücken und ihn einzuschüchtern, da er Drogen an Minderjährige verkaufen würde. Sobald er das nicht mehr getan hätte, hätten sie ihm die weggenommenen Gegenstände wiedergegeben. Louis L. habe während der Aktion versucht, die Polizei anzurufen. Dies habe er unterbunden, indem er ihm das Handy entzog, so Niklas N. Der dritte der Eindringlinge, ein flüchtiger Bekannter, von dem man lediglich den Vornamen kenne, habe spontan geäußert: Unten im Auto warten welche. Ich weiß ja nicht, was die tun, wenn du nicht mitspielst. „Ich habe den Computer und eine Schachtel mit Haschisch genommen. Das tut mir leid“, beteuert Niklas N.

„Wir haben bei Louis L. geklingelt und ihm vorgespielt, wir würden Drogen bei ihm kaufen wollen“, erzählt der Mitangeklagte Sebastian S. – im dunklen Anzug mit weißen Streifen – freimütig. „Dann sind wir in die Wohnung rein. L. hat sich nicht gewehrt. Ich hatte damals einen Gipsarm. Aber ich habe geholfen, den Computer zu entkabeln.“ Die Mehrzahl der fehlenden Dinge müsse sich bei seinem Bekannten Paul*, von dem er nur den Vornamen kenne, befinden.

Doch Paul, eine Diskobekanntschaft von Sebastian S., scheint verschwunden. Leider fehlt auch das Raub-Opfer Louis L., obwohl es zu der Verhandlung als Zeuge geladen wurde. Die Vorsitzende des Schöffengerichts telefoniert mit dessen Rechtsanwalt, denn gegen Louis L. wird wegen Drogenhandels ermittelt. Der vermeintliche Dealer ist auf seinem Handy nicht erreichbar. Doch ohne ihn geht nichts. Das Gericht verhängt 200 Euro Ordnungsgeld, ersatzweise vier Tage Haft, gegen ihn und vertagt die Verhandlung auf den 24. Mai. (*Namen geändert.) Hoga

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