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Kontrolliert. Dan Ariely.

© Bill Holsinger

Homepage: Selbstkontrolle durch Belohnung Dan Ariely über das menschliche Verhalten

„In seiner unendlichen Weisheit hat uns ein Konzern überzeugt, dass es gut ist, wenn wir nach Minze schmecken. Deshalb putzen wir uns die Zähne“, stellt der amerikanische Verhaltensforscher Dan Ariely fest.

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„In seiner unendlichen Weisheit hat uns ein Konzern überzeugt, dass es gut ist, wenn wir nach Minze schmecken. Deshalb putzen wir uns die Zähne“, stellt der amerikanische Verhaltensforscher Dan Ariely fest. Am Potsdamer Einstein Forum stellte der Bestsellerautor („Denken hilft zwar, nützt aber nichts“) unlängst seine Forschungsarbeit vor. Nicht die Aussicht auf gesunde Zähne motiviere das alltägliche Ritual, sondern eine von Wirtschaftsinteressen gesteuerte Mischung aus Gefall- und Genusssucht.

Der Mensch verhalte sich weit weniger rational, als er gemeinhin annehme, behauptet der Wissenschaftler. Zudem würden sich Belohnungen oft anders auf das Verhalten auswirken als angenommen. Nicht die Höhe der Belohnung, sondern der soziale Kontext sei wichtig. Die meisten Menschen ließen sich von kurzfristigen Anreizen verführen. Das entspreche zwar dem kapitalistischen Wirtschaftsystem, es sei aber häufig nicht zu ihrem Vorteil. Weil allumfassenden Konsumangeboten und davon angeregtem Kaufverhalten ohnehin nicht zu entkommen sei, gelte es, sozial wünschenswertes Verhalten mit unmittelbaren Anreizen zu verknüpfen. „Wir sind soziale Tiere, deshalb sind soziale Belohnungen wichtig“.

Auf die Spur seiner Forschung ist der Psychologe Ariely durch ein tragisches persönliches Ereignis gelangt. In seiner unmittelbaren Nähe explodierte eine große Magnesium-Leuchtrakete mit der Folge, dass 70 Prozent seines Körpers von Verbrennungen dritten Grades betroffen waren. Bei seinem Krankenhausaufenthalt zog sich Ariely dann zudem durch eine Blutkonserve die Leberkrankheit Hepatitis zu. Deshalb war er gezwungen, sich mehrmals in der Woche selbst eine Medizin zu spritzen. Die führte allerdings unmittelbar zu Fieber, Schwindelgefühlen und Erbrechen. Um sich die malträtierende Wirkung des Medikaments zu versüßen, machte es sich der angehende Wissenschaftler zur Gewohnheit, zuvor einen Packen Videos aus der örtlichen Videothek auszuleihen. Dann legte er sich, mit dem Brecheimer daneben, in eine Hängematte und setzte sich die fatale Spritze. Das wirkte. Er sei der einzige Patient, der es geschafft hätte, sich tatsächlich an den vorgesehenen Rhythmus der Einnahme des Medikaments zu halten, bestätigte später ein betreuender Mediziner. Ariely hatte sich selbst überlistet und den Forschungsansatz gefunden, der fortan sein Leben und seine Bücher bestimmen sollte. In zahlreichen Forschungsreihen hat Ariely detailliert nachgewiesen, wie Anreize und Belohnungen wirken.

Seine Forschung hilft nicht zuletzt, die Bankenkrise zu erklären. Unklug platzierte Bonussysteme würden eher irrationales Verhalten von leitenden Angestellten fördern, als den Arbeitseifer stärken, vermutet Ariely. In Indien hat er von Studenten Versuche mit spielerischen Versuchsanordnungen anstellen lassen. Aus denen folgert er, dass eine geringe oder eine mäßige Belohnung viel eher und sinnvoller motivieren würde als eine exorbitant hohe Prämie. Gelegentliches Lob des Chefs könne ebenso motivierend sein wie die Prämie, denn nahezu ein jeder sehne sich nach sozialer Wertschätzung.

Um trotz allem sinnvoll zu handeln, sei es notwendig, die individuellen Mechanismen der Selbstkontrolle zu stärken, so der Verhaltenswissenschaftler. Hierzu könnten möglicherweise Künstler wertvolle Hinweise liefern, denn sie haben eine andere, ungewohnte Sicht auf die Realität. Deshalb hat Ariely zusammen mit dem Einstein Forum einen Wettbewerb ausgelobt. Künstler können noch bis zum 15. November Vorschläge zur Teilnahme an der Ausstellung „Restraining Order“ beim Einstein Forum einreichen (www.einstein-forum.de). Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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