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Landeshauptstadt: Selbstverständlich boeuf bourguignon

Austausschüler aus Chateau-Chinon bereiteten mit ihren Potsdamer Gastgebern ein deutsch-französisches Menü

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Austausschüler aus Chateau-Chinon bereiteten mit ihren Potsdamer Gastgebern ein deutsch-französisches Menü Von Henner Mallwitz So manches fiel Marie sofort auf. Eine große Stadt sei Potsdam, eine schöne obendrein, viele Unfälle habe sie gesehen, und Deutsch sei eine unwahrscheinlich schwere Sprache, bei der man als Französin vor allem mit einem solchen Wort wie „selbswerrstendliesch“ seine Schwierigkeiten hat. Dass sich dies im Laufe dreier Wochen allerdings klären würde – davon war die 17-Jährige aus dem beschaulichen Chateau-Chinon in Burgund überzeugt. Zusammen mit elf weiteren Azubis, die alle eine Ausbildung als Restaurant- oder Hotelfachfrau und -mann sowie als Koch und Köchin absolvieren, traf sie am Montag zum Schüleraustausch in Potsdam ein: Bereits zum dritten Mal lud das Oberstufenzentrum „Johanna Just“ die Schüler ihrer französischen Partnereinrichtung zum Austausch ein. Zwei Wochen liegen noch vor den Gästen – die erste haben sie mit einem Projekttag gestern zufrieden hinter sich gebracht. Auf dem Plan stand ein deutsch-französisches Menü – von Schülern für Schüler zubereitet. In der hellen Lehrküche wurde länderübergreifend geschnitten und geputzt, geschält und geknetet, während die angehenden Restaurantfachkräfte indes die Tische im benachbarten Raum geradezu fürstlich eindeckten. Gegen Mittag durften sie das Drei-Gänge-Menü dann kredenzen: Nach einem „salade d’asperges“, einem bunten Spargelsalat, folgte als Hauptgang „boeuf bourguignon, pomme natures, pates“ – ein Rindergulasch Burgunder Art, der mit Kartoffeln oder Spätzle gereicht wurde. Den Abschluss bildete „glace vanille avec fraises aux poivres verts“, ein Vanilleeis mit frischen Erdbeeren im Hippenblatt mit Schlagsahne und grünem Pfeffer. Für die Jugendlichen der krönende Abschluss einer schönen, wenn auch anstrengenden Woche, bevor sie am Nachmittag erstmals – in den vergangenen Tagen waren sie im Jugendgästehaus „Siebenschläfer“ untergebracht – zu ihren Gastfamilien fuhren. „Während des Schüleraustauschs spielt das Erlernen der jeweiligen Fremdsprache natürlich eine große Rolle“, sagte Französischlehrerin und Betreuerin Dorothea Wollenberg. „In diesem Jahr haben wir deshalb erstmals einen Tandem-Sprachkurs durchgeführt, bei dem die Lehrenden zugleich auch lernen und umgekehrt.“ Deutsche und Franzosen an einem Tisch, ein Lehrer aus jedem Land als Ansprechpartner, und dann üben, üben, üben. Etwa gemeinsam ein Haus malen ohne dabei zu reden: Einer muss da führen, ohne den anderen aber geht es nicht. Und auch die anfängliche Scham bei kleinen Rollenspielen in der anderen Sprache war schnell verflogen. Und wahrscheinlich, so die Betreuerin, lag darin auch ein Grund, dass die Gruppe so schnell zusammen fand, dass Barrieren gar nicht erst aufkamen und die gemeinsamen Unternehmungen wie Bowling und Berlin-Trip mit Brauerei-Besichtigung in Spandau zum Erlebnis wurden. Doch neben dem Spaß hatten die jungen Franzosen in dieser ersten Woche jedoch auch ein berufliches Programm zu absolvieren. Denn die berufliche Ausbildung, so Dorothea Wollenberg, laufe in Frankreich etwas anders als bei uns. Während Auszubildende in Deutschland ein Arbeitsverhältnis mit einem Betrieb eingehen, lernen die Franzosen ihre praktischen Tätigkeiten vor allem durch eine bestimmte Anzahl von Praktikumswochen kennen. Das „duale System“ in Deutschland – die Verknüpfung von Schule und Ausbildungsstätte – war somit für die Gäste eine interessante Erfahrung. Das sah Vincent Jongleux, der Betreuer der französischen Gäste, gestern nicht anders. „Meine Schüler sind sehr zufrieden, alles ist sehr gut organisiert und alle sind freundlich“, so der Lehrer, der an der Partnerschule in Chateau-Chinon für den Bereich Service verantwortlich ist. „Diese Zusammenarbeit wollen wir unbedingt fortsetzen, weil sie zu beiderseitigem Nutzen ist.“ In der kommenden Woche will er den Potsdamer Berufsschülern die Spezialitäten seiner Heimat etwas näher bringen: In einer Klasse wird er über den Wein aus Burgund berichten, und natürlich auch zu einer kleinen Verkostung einladen. Schon in dieser ersten Woche waren die Sprachbarrieren schnell abgebaut, auch wenn sowohl Franzosen als auch Potsdamer völlig unterschiedliche Voraussetzungen mitbrachten. Möglichkeiten für Small Talks gabs da zur Genüge, wie etwa beim Spaziergang durch den Park Sanssouci. Sehr ausgedehnt war dieser allerdings nicht: „Lauffaulheit ist wohl grenzübergreifend“, meinte Dorothea Wollenberg lächelnd. Im November wird sie mit ihren Azubis, die dann im zweiten Lehrjahr sind, zum Gegenbesuch nach Burgund fahren. Schule, Internat und die Arbeit im Hotel – alles so, wie es die Franzosen jetzt hier erleben. Und eben doch ein wenig anders. Aber bis es soweit ist, werden sich die Potsdamer noch zwei Wochen lang um ihre Gäste kümmern. In den jeweiligen Ausbildungsbetrieben werden sie voll in den Arbeitstag einbezogen und lernen so die deutsche Gastronomie und Hotellerie auch hinter den Kulissen kennen. Für Marie aus Chateau-Chinon ist es der zweite Besuch in Deutschland. Zusammen mit Lucy aus Potsdamer wird sie im Seminaris-Hotel arbeiten und noch mehr Deutsch lernen. Und bestimmt klappt''s dann am Ende auch mit so komplizierten „selbstverständlich“.

Henner Mallwitz

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