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Landeshauptstadt: Selbstzusteller

Ein vorbestrafter Briefträger muss in Haft – er hatte Pakete unterschlagen

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Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Auch bei der Post. Oder gerade dort. Bei Stefan G. (45), dem Postzusteller, funktionierte das nicht. Er konnte seine Vertrauensstellung ausnutzen, weil ihm niemand auf die Finger schaute. Statt alle Pakete, die er zwischen Juni und September 2012 im Briefverteilungszentrum Stahnsdorf in seinen Transporter lud, ordnungsgemäß bei den Empfängern abzuliefern, landeten 55 Kartons mit hochwertigen Elektronikartikeln im Wert von rund 10 000 Euro teilweise bei ihm, überwiegend jedoch bei seinem Ex-Kollegen und guten Freund Frank F. (40). Während sich Stefan G. selbst an der Beute ergötzte, verkaufte der ewig klamme Kumpel Handys, Laptops und Fernseher, um an Geld zu kommen. Er wurde im vorigen Monat wegen Hehlerei zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung verurteilt.

Eigentlich sollte Stefan G. an diesem Tag neben ihm auf der Anklagebank sitzen. Doch der Potsdamer war erkrankt. Am Mittwoch holte ihn die Vergangenheit ein. Der 15-fach Vorbestrafte muss für zwei Jahre und elf Monate ins Gefängnis, befand das Schöffengericht. Stefan G. entwendete nicht nur Pakete, sondern versorgte seinen Komplizen Frank F. mit einer Unmenge Briefe, meist Info-Post, die dieser zum Altstoffhändler brachte. Die Staatsanwaltschaft ging von – grob geschätzt – einer halben Tonne Papier aus.

Vor seiner Tätigkeit in Stahnsdorf verteilte Stefan G. in Spandau die Post per pedes oder mit dem Fahrrad. Nun hatte er plötzlich einen Dienstwagen, aber keine Fahrerlaubnis. Das fiel offenbar niemandem auf. Der Briefbote wollte seine Arbeit nicht verlieren, setzte sich kurzerhand ans Steuer des gelben Transporters. Insgesamt 42 unerlaubte Fahrten legte ihm die Anklage zur Last. Und es ging um Sozialbetrug. Stefan G. prellte das Jobcenter um knapp 17 000 Euro. Er kassierte eine Zeit lang munter Hartz-IV-Unterstützung, freute sich gleichzeitig über regelmäßige Gehaltseingänge der Deutschen Post auf seinem Konto.

Als sich ab Juni vorigen Jahres die Verluste von Paketsendungen im Stahnsdorfer Briefverteilungszentrum häuften, fiel der Verdacht anfangs nicht auf den Angeklagten. Schließlich hat jeder Mitarbeiter Zugriff auf die Pakete, deren Empfänger er nach seinem Tourenplan selbst zusammenstellt. Ein Nachbar von Stefan G. und dem im selben Haus in Fahrland lebenden Frank F. wunderte sich über Unmengen von Postkisten, die sich in der Garage des Letzteren stapelten. Er erstattete Anzeige. Die Polizei durchsuchte daraufhin die Wohnungen der Männer.

Während Frank F. die illegale Papierentsorgung sofort zugab, auch den Weiterverkauf elektronischer Geräte einräumte, mauerte Stefan G. lange. Gegenüber seiner Bewährungshelferin leugnete er hartnäckig die Beteiligung an den Straftaten. Nicht einmal seine Lebensgefährtin, mit der er einen elf Monate alten Sohn hat, wusste von der Anklage. „Ansonsten ist er ein zuverlässiger und freundlicher Proband. Der Kontakt ist super“, berichtete sie begeistert vor Gericht. Sie muss es wissen. Schließlich kennt niemand das Vorstrafenregister des jetzt als Koch Arbeitenden besser. Immer wieder geht es um Betrügereien, aber auch um Störung von Fernmeldeanlagen, Unterschlagung, Urkundenfälschung und Fahren ohne Fahrerlaubnis. Mehrfach saß Stefan G. hinter Gittern. Kaum in Freiheit folgte der nächste Coup. In die aktuelle Bestrafung des Angeklagten wegen Verletzung des Postgeheimnisses, Betruges und Fahrens ohne Erlaubnis – er legte letztlich doch noch ein Geständnis ab – bezog das Gericht ein Urteil vom 21. Januar dieses Jahres ein. Auch da ging es um Betrug. Stefan G. erhielt eine Strafe von einem Jahr auf Bewährung.

„Die Rechtsordnung gebietet es, eine Freiheitsstrafe auszusprechen“, betonte die Schöffengerichts-Vorsitzende. Ihre Begründung: „Der Imageschaden, der der Post entstand, ist beträchtlich. Ein Bürger muss darauf vertrauen können, dass er die an ihn adressierte Post auch erhält.“ Gabriele Hohenstein

Gabriele Hohenstein

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