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Landeshauptstadt: Seltsame Vogelschar

Ornithologen rätseln über Bornstedter Beobachtung

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Bornstedter Feld - Hätte er recht, wäre es eine Sensation: Der Bornstedter Hans- Joachim Dauber sieht von seiner Wohnung aus auf einen Hain aus Zierapfel-Bäumen. Die Äste hängen voller roter Früchte, auch jetzt im Winter. Von Mal zu Mal, meist am Vormittag, macht sich ein Schwarm von bis zu 200 Vögeln über das kirschgroße Zierobst her. Sie picken die Schale und das Fruchtfleisch auf, um an die Kerne zu kommen. Dauber blättert in dicken Wälzern mit bunten Vogelabbildungen. Er will die Vogelart bestimmen – und siehe da, das ist er, das kann er nur sein: der Schneefink.

„Ausgeschlossen!“ Der Potsdamer Ornithologe Michael Zerning hält einen Schwarm von Schneefinken im norddeutschen Flachland für unmöglich. Schneefinken lebten im Hochgebirge, etwa in den Alpen, und hielten immer deutlich mehr als 1000 Meter zwischen sich und dem Meeresspiegel. Einzelne Exemplare könnten freilich in einem Sturm mitgerissen werden und fielen dann im Flachland vom Himmel. Aber eine ganze Schar, die dazu noch im Bornstedter Feld über Zieräpfel herfällt? „Das geht nicht“, versichert der Vogelkundler eindringlich.

In der Buckower Vogelschutzwarte wird Daubers Vogelbestimmung auch sehr skeptisch gesehen. Man soll ja nie nie sagen, so Ornithologin Birgit Block, aber Schneefinken in Potsdam seien „sehr sehr unwahrscheinlich“. Es handele sich sicher um Wacholderdrosseln.

Und tatsächlich, Heidrun Schöning vom Naturschutzbundes (Nabu) in Potsdam, erinnert sich an eine Mitteilung, die sie vor einigen Tagen verschickte. Überschrift: „Krammetsvogel-Invasion in Brandenburg“. Wobei damit die Wacholderdrossel gemeint ist. Ihren Beinamen hat das Federtier von seiner Lieblingsspeise, der „Krammetsbeere“, sprich Wacholder. Als „Invasionsvogel“ kämen die Tiere in strengen Wintern massenhaft aus Skandinavien und Osteuropa. Die Wacholderdrossel sei etwas größer als die nahe mit ihr verwandte Amsel. „Sie sieht auf den ersten Blick aus wie eine Singdrossel, allerdings hat die Wacholderdrossel eine deutlich rotbraune Brust“, lässt Nabu-Geschäftsführer und Ornithologe Wolfgang Mädlow wissen.

Prof. Dr. Matthias Freude, Präsident des Landesumweltamtes, schätzt seine Kollegen vom Nabu sehr – hält aber noch einen anderen Vogel für möglich: Die Schneeammer. Diese Vögel leben in Skandinavien und sind noch in den 1970er und 1980er Jahren im Winter in Schwärmen im Brandenburgischen gesehen worden. Doch dann, so Prof. Freude, machte sich die Klimaerwärmung bemerkbar. Plectrophenax nivalis blieb fortan auch im Winter in Skandinavien, weil die Winter dort nicht mehr so hart waren.

Der Winter 2009/2010 ist wieder von kernigerer Natur. Der Umweltamtschef würde sich „nicht wundern“, wenn es sich bei der Bornstedter Beobachtung um Schneeammern handeln würde. Geht ein Schwarm nieder, sehe es aus, als ob Schneeflocken fallen. Hätte Dauber recht, wäre es die erste Beobachtung einer größeren Schar von Schneeammern in diesen Breiten seit langer Zeit.

Allerdings bleiben Fragen: Die Schneeammer pickt Körner vom Boden. Das Anpicken von Früchten an Bäumen wäre ehe ungewöhnlich, sagt Prof. Freude. Des Rätsels Lösung kann nur ein Fachmann vor Ort lösen. Freude: „Ich werde mir das einmal ansehen.“ Guido Berg

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