Von Susanna Maier: Seminar in Second Life
Juniorprofessor Christoph Lattemann bietet Lehrveranstaltungen in der virtuellen Internetwelt an
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Während des Seminars kurz nach Amsterdam oder Brüssel fliegen, das ist gar nicht so unmöglich wie es klingt. Abheben kann man direkt am Neuen Palais, die Flugdauer beträgt ungefähr zwanzig Sekunden. Nicht nur fliegen kann man auf der Insel der Universität Potsdam, die Studierende in der virtuellen 3-D-Welt „Second Life“ im Internet aufgebaut haben. Auch Wirtschaftsprozesse lernen Studierende im Seminar „Virtuelle Welten“ kennen.
Die Lehrveranstaltung wird von einem Avatar, einer virtuellen Persönlichkeit, gehalten. Natürlich steht hinter dem Avatar mit Namen „Lat Edman“ ein richtiger Mensch, Christoph Lattemann, Juniorprofessor für Corporate Governance und eCommerce an der Universität Potsdam. Bei einem Lehraufenthalt in den Vereinigten Staaten hat er diese Form der Lehrveranstaltung für sich entdeckt. „Die Studierenden sind begeistert“, berichtet er. Dabei lernen die Studierenden bei ihm nicht nur, wie man sich in dieser neuen Welt bewegt, sie müssen ihre Insel sogar selbst aufbauen.
„Das Neue Palais haben die Studierenden selbst nachgebaut“, erzählt Lattemann. Dafür schauen sich die Studierenden den Grundriss der Uni erst einmal genau an. Türen und Fenster, aber auch Texturen und Mauermuster werden dann in die virtuelle Welt übertragen. „Es ist natürlich nie eins zu eins“, sagt Lattemann. Schließlich sehe eine 3-D-Welt immer etwas anders aus. In der Regel würden Studierende bereits nach einem Semester komplexe Sachen bauen können. Ärgerlich sei nur, wenn andere „Chaoten“ die Insel wieder zerstören würden, berichtet Lattemann. Das sei ihnen jedoch erst einmal passiert. „Wir können das ja schnell wieder beheben“, sagt er.
Neben der Gestaltung lernen die Studierenden auf der Plattform auch wirtschaftliche Prozesse kennen. „Sie sollen verstehen, wie man Produkte vermarktet“, erklärt Lattemann. So haben die Studierenden bereits Weihnachtsbäume auf ihrer Insel verkauft. Die Vermarktung innovativer Produkte aus der Biotechnologie steht aber im Vordergrund. „Die Wirtschaft in Deutschland krankt daran, dass tolle Ideen nie zur Marktreife gelangen“, kritisiert Lattemann. Deshalb veranstalten die Studierenden auf der Insel eine virtuelle Messe unter dem Motto „Naturwissenschaft trifft Wissenschaft“. Bei solchen Veranstaltungen würden dann schon mal ein paar ungebetene Besucher auf die Insel kommen. „Manchmal stören andere Avatare unsere Gäste mit lästigen Umfragen“, so Lattemann. So etwas gebe es aber auch im richtigen Leben, sagt er.
All diese neuen Erfahrungen würden den Studierenden entscheidende Vorteile in ihrem späteren Berufsleben bringen. Schließlich ist Lattemann fest davon überzeugt, dass viele Medien in den nächsten fünf bis zehn Jahren in dreidimensionaler Form gestaltet sein könnten, sagt er. Dennoch sei der richtige Kontakt mit den Studierenden sehr wichtig. „Kennenlernen wollte ich die Teilnehmer natürlich auch persönlich“, betont er. Während des Semesters gibt es deshalb auch Präsenzveranstaltungen an der „echten“ Universität. Wegfliegen können die Studierenden dann natürlich nicht mehr.
Von Susanna Maier
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